Test: BMW R nineT Scrambler

Der Bulle unter den Scramblern

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Eigentlich sind Scrambler ja in zweierlei Hinsicht cool: Sie kommen nicht nur als Retro-Bike auf die Straße, sondern in der derzeit angesagtesten Form. Die Scrambler, das waren in den 50er- und 60er-Jahren so etwas wie die Vorläufer der Enduros. Als diese noch reine Wettbewerbsgeräte waren, stellten sich Franzosen (genau, mal nicht die Amerikaner) die Frage, wie sie ihre Mopeds geländetauglich machen könnten. Die BMW-Version einer Scrambler fuhren wir im Test.

Der Weg zur Scrambler

Die Eigenbau-Formel für die angesagte Scrambler war schnell gefunden: Längere Federwege, hohe Sitzposition, Stollenreifen, breite Lenker und natürlich die hochgelegte Auspuffanlage ließen eine Straßenmaschine als Scrambler durchgehen. Dass zudem Mr. Cool, der US-Schauspieler Steve McQueen, lässig mit Kippe auf einer Scrambler unterwegs war, adelte diese Bauform zusätzlich.

BMW mischt bei diesem Trend nach Ducati und Triumph seit 2016 mit, das Ausgangsmodell ist die R nineT, aus der eine ganze Baureihe geworden ist. Aufgepimpt mit den üblichen Scrambler-Zutaten hat sie mit ihrem Boxermotor ein Alleinstellungsmerkmal. Passend zur Retro-Welle ist es nicht die neuste Ausbaustufe des Zweizylinders, nein, BMW setzt hier auf die ältere, luftgekühlte Version. Er fügt sich gut ein in die stilvolle Umgebung, zu deren stimmigen Details beispielsweise die Gabelbrücke oder die Gummibälge an der Gabel gehören.

Virtueller Rundgang um die BMW R nineT Scrambler
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Auch für Große geeignet

Gut Platz nehmen können längere Menschen: Die höhere Sitzposition, der lange Radstand und die tiefen Fußrasten engen Großgewachsene nicht ein. Das gilt allerdings nur für den Fahrer, Passagiere haben auf ihrem knapp geschnittenen Platz wenig zu melden und genießen nur dürftigen Komfort.

Beim Starten schüttelt sich das klassische Triebwerk kurz, stärker als die modernen Versionen. Dass der Motor läuft, hört man an der Auspuffanlage vom Spezialisten Akrapovic. Sehen in Form eines Drehzahlmessers tut man es nicht, denn ebenso wie eine Gang- oder Tankanzeigeanzeige fehlt diese Info komplett. Immerhin sieht es gut aus, das sehr pur und rein erscheinende Kombiinstrument.

Jetzt aber los.

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Die Power kommt von unten

Der luft-/ölgekühlte Motor leistet 110 PS und damit einen ganzen Schluck mehr als die Triebwerke der Konkurrenz von Triumph (90 PS) und Ducati (86 PS). Die BMW setzt sich damit aus dem Drehzahlkeller engagiert in Bewegung, aber der Elan ist nicht von Dauer. Obenherum tut sich nicht mehr viel, so dass das Leistungsplus im Vergleich kaum auffällt. Doch die drehmomentbetonte Auslegung passt gut zu einer Scrambler, die eher für das komfortable Cruisen als für die Kurvenräuberei ausgelegt sind. Dazu trägt die die aufrechte Sitzposition ihren Teil bei.

Ein Wort noch zu den Reifen: BMW bietet neben der straßentauglichen Variante die unser Testbike trug eine grobstolligere Version an. Diese konnten wir nicht fahren, aber geben eines zu bedenken: Das Fahrwerk der BMW ist schon mit diesen Reifen nicht das präziseste, mit Geländebereifung dürfte das etwas indifferente Lenkgefühl vermutlich stärker werden.

Ansonsten gibt es nur noch eines zu meckern: Unabhängig von den Reifen ist die Federung ein Kritikpunkt. Hier hat BMW es mit der Sportlichkeit etwas zu gut gemeint: Die Hinterhand gibt kurze, größere Unebenheiten nur leicht gefiltert an die Besatzung weiter.

Entspannter Cruiser

Übersieht man dies, ist die Fortbewegung mit der BMW ein ausgesprochen vergnügliches Hobby. Lasst es sein mit der Hektik, die artgerechte Bewegung der BMW führt automatisch zu einem fließenden Fahrstil, ohne Ecken oder Kanten. Je schneller man fährt, desto mehr Lenkimpuls wäre nötig, also lässt man es irgendwann einfach sein – gut so.

Verglichen mit der Konkurrenz überzeugt die BMW mit ihrem bulligen Antritt und dem knorrigen, authentischen Wesen. Gleichauf liegt sie mit der Stimmigkeit ihres Designs sowie dem knackigen Sound und den liebevollen Details. Mag der Komfort auf Langstrecken nicht der beste sein, gut angezogen ist man mit der BMW überall.

Obwohl die BMW nineT Scrambler tatsächlich 1.900 Euro günstiger als ihre Heritage-Schwester ist, wer hätte das gedacht, sollte man auf ein Extra nicht verzichten: Die schönen Speichenräder (395 Euro) stehen ihr ausgezeichnet. BMW ritt zwar als vorerst letzter auf den Scrambler-Welle voran, aber mit einem überzeugenden Modell.

War da noch was? Ach ja, die Geländetauglichkeit. Ach nein, da war doch nichts – genau wie bei den Scrambler-Modellen der Konkurrenz.

Das Testbike wurde uns von Bergmann & Söhne in Pinneberg zur Verfügung gestellt.

Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre

  • Preis: 13.250€
  • Gebraucht (3 Jahre alt): 9.500€
  • Baujahre: seit 2016 
  • Verfügbarkeit: gut
  • Farben: grau-matt-metallic, gold, weiß
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