Test: Triumph Scrambler 1200 XE

Forever young

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Man sollte es als Motorradtester am besten sehr deutlich und sofort sagen: Es gibt kaum logische Gründe, sich für die Bauform Scrambler zu entscheiden. Egal: Guter Geschmack muss nicht logisch sein. Das zeigt der Test unserer Triumph Scrambler 1200 XE.

Scrambler und die Franzosen 

Hmmm, was ist das denn? Eine Scrambler ist irgendwie cool. Sofort kommt einem Mr. Cool alias Steve McQueen in den Kopf, der vorzugsweise mit nacktem Oberkörper und Kippe im Hals unterwegs war. Seine Husqvarna 400 Cross wurde unlängst für den Rekordpreis von 144.500 Dollar versteigert. Auch George Clooney oder Marlon Brando wurden auf ähnlichen Mopeds gesichtet, ebenfalls nicht uncool. In neueren Zeiten kam sogar eine Triumph Scrambler aus dem Film „Jurassic World“ von 2015 unter dem Hammer. Das originale Filmmotorrad wurde für einen guten Zweck versteigert.

Ums cool sein geht’s hier also, und Triumph lässt Kunden ab 14.550 Euronen aufsteigen. Schauen wir ganz kurz in die Geschichte der Scrambler, die nicht wie vermutet in den USA, sondern in Frankreich begann. In den 50er- und 60er-Jahren dürstete es einer immer größer werdenden Moped-Gemeinde nach geländegängigeren Motorrädern. Dummerweise waren aber die Enduros für den Massenmarkt mit Straßenzulassung noch gar nicht erfunden. Wo ein Franzose, da ein Weg.

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Die ersten Scrambler waren Custom-Bikes

Ein paar Liter gar köstlichen Rotweins und durchgeschraubte Nächte später war der Kletterer („Scambler“) fertig. Um im Gelände bestehen zu können, unterschieden sich die neuen Mopeds durch hochgelegte Auspuff-Endrohre, größere Schutzbleche, grobstolligere Reifen und einen breiteren Lenker von den Straßenmaschinen. Es ist natürlich unfair, da auch die Japaner gute Scrambler bauten – aber wenn es heute eine Scrambler sein muss, dann sollte sie entweder von Triumph oder Ducati geliefert werden. Rein imagemäßig, versteht sich.

Die leicht erhöhte Sitzposition ist dank der ziemlich schmalen Sitzbank übrigens für eher kleinere Menschen kein Problem, nur allzu kurz sollten die Beine nicht sein.

Auffällig bei der Triumph ist, dass sich der Hersteller sehr viel Mühe mit den Details gegeben hat. Allein die Optik des Auspuffs mit den Schutzblechen oder die zahlreichen Alu-Applikationen, das sieht einfach gut und hochwertig aus. Übrigens: Es gibt von Triumph über 80 Zubehörteile, davon alleine 12 Motordeckel. Der Beifall brandet auf und führt dazu, dass wir den Helm aufsetzen und es mal richtig wissen wollen.

Los geht’s.

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Sie ist vollkommen modern

Vor der Fahrt straft die Triumph ihre klassische Optik Lügen. Der Bordcomputer hat verschiedene Fahrmodi, die man anwählen kann. Dies sind "Straße", "Regen", "Sport", "Off-Road", ein individuell programmierbarer Modus sowie "Off-Road Pro". Übrigens ist die Scrambler mit TFT-Display, LED-Beleuchtung und Kurven-ABS auch sonst auf der Höhe der Zeit.

90 PS sind nicht eben viel, aber für die Scambler tatsächlich völlig ausreichend. Das maximale Drehmoment (110 Nm) liegt schon bei 3.900 U/min an, was für guten Durchzug sorgt. Ein paar Mal genossen, kommen wir schon zum einzigen größeren Mangel des Motors: Offensichtlich produziert der 1200er-Twin so viel Hitze, dass das Schutzschild am Fahrer-Oberschenkel kapituliert. Es wird auf der rechten Seite unten herum ziemlich warm, wobei man zusätzlich bemerken muss, dass die Außentemperaturen bei den Testfahrten fast immer unter 20 Grad lagen. Im Sommer dürfte das ziemlich nervig werden. Vielleicht hätte sich Triumph vorn am Schutz des Sozius‘ orientieren sollen, hier funktioniert es.

Großes Lob hingegen für das Fahrwerk. Die großzügigen 250 Millimeter Federweg, helfen auch diesseits der Straße und resultieren in einem guten bis sehr guten Fahrkomfort. Ohne Tadel die Bremsen, deren aufwendige Anlage (Doppelscheiben-Brembo) in Leistung und Dosierbarkeit voll überzeugt.

Genug der Vorrede, kommen wir zum Punkt: Scrambler sind eine Reminiszenz an früher, schön, cool und kultig. Ansonsten gibt es wenig logische Gründe, sich eine in die Garage zu stellen. Der Windschutz ist – da nicht vorhanden – ebenso lausig wie bei Naked Bikes. Und die Geländetauglichkeit? Formulieren wir es mal so: Mit einer richtigen Enduro ist man besser bedient, für Schotterwege reicht es. Ansonsten ist die Triumph mit 226 Kilo einfach zu schwer und mit einer Länge von 2,32 Metern zu groß. Hinzu kommt der hohe Schwerpunkt, der die Maschine bei stehendem Fahrer kippelig erscheinen lässt. Doch dürfte dies für 90% aller Kunden keinen Nachteil darstellen, denn den Bordstein rauf zur Eisdiele liegt immer im Bereich des Möglichen. Die von uns getestete Scrambler hatte Mischbereifung von Metzeler Tourance aufgezogen, die im Gelände wie auf der Straße gute Leistungen bringt. Wahlweise gibt es noch den grobstolligeren Pirelli STR Rallye.

Gut, aber ....

Was also bekommt die Triumph Scambler 1200XE? Daumen hoch oder runter? Einen Daumen hoch, auch wenn sie wahrscheinlich eines der überflüssigsten Motorräder auf dem Markt ist. Aber unter den anderen Scramblern gehört sie mit ihrer ausgewogenen Art, der guten Verarbeitung und  dem stimmigen Design zur Spitze. Sollte man eine Scrambler in die engere Wahl nehmen, bitte Probefahrt vereinbaren.

Die eher mäßige Geländetauglichkeit ist dagegen den meisten Kunden egal. Die Sitzhöhe sowie der heiße Oberschenkel dürften da schon eher Kaufhürden sein.

Es gibt zudem eine eher für die Straße ausgelegte Variante namens XC, die sogar 1.000 Euro günstiger ist. Allerdings: Es fehlen ihr das Kurven-ABS, die Handprotektoren, Heizgriffe und der Off-Road Pro-Fahrmodus. Da ist der Tausender mehr für die XE gut angelegtes Geld.

Das Testbike wurde uns von Q-Bike in Hamburg zur Verfügung gestellt.

Preis / Farben / Baujahre

  • Preis: 14.550 €
  • Baujahre: seit 2019
  • Farben: blau, weiß
Pro & Kontra
Pro:
  • Verarbeitung
  • Komfort
  • Bremsen
  • kraftvoller Motor
  • Materialqualität
Kontra:
  • Geländetauglichkeit
  • Hitzenetwicklung am Oberschenkel
09 2019: Test: Triumph Scrambler 1200 XE
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