MV Agusta Superveloce 800 im Test

MV Motorcycle Art: Ein Supersportler als Kunstwerk für die Straße

MV Agusta Superveloce 800 im Test Fotos: Motorradtest.de
 
Die MV Agusta Superveloce ist ein SuperSportler im Retro-Gewand für 21.390 Euro UVP. Als technische Basis stand die F3 Pate. Dementsprechend ist die Superveloce ein technisch hochentwickeltes Motorrad mit einer vollständigen Ausstattung und dazu Leistung satt. Volker und Dietmar haben eine Runde gedreht. Anschnallen, bitte.

Optik zum Niederknien

Eigentlich sollte ein Motorradtest ja die Fähigkeiten eines Bikes darstellen und die Optik bzw. deren Bewertung dem Auge des Betrachters überlassen. Das geht bei der Superveloce 800 nicht. Wir finden, dies ist eines der schönsten Motorräder am Markt. Die markante Front mit den Einzelscheinwerfer und der Verkleidung, das kurze Heck mit einer Rückleuchte im Starfighter-Design, die Einarmschwinge und die gold lackierten Felgen, die geschwungene Form des Tanks, der Schalldämpfer mit den drei Tüten - wohin man auch schaut findet man italienische Motorradbau-Kunst vom Allerfeinsten. Es gibt die Superveloce 800 in rot und gelb mit entweder scharzem oder goldenen Rahmen.

Farben
 
Ganz neckisch ist der braune Ledergürtel, der sich über den Tank spannt (siehe Bildergalerie). Was der soll? Keine Ahnung, eine Funktion hat er jedenfalls nicht. Sieht aber gut aus! Und damit hat er dann eben doch eine Funktion. 
 
Die Sitzprobe fällt bei der Superveloce erwartungsgemäß krass aus. Man sitz wie bei SuperSportlern üblich stark nach vorne geneigt, der Rücken krumm, die Füße weit hinten und der niedrig montierte Lenker spannt den Fahrer über den Tank. Obwohl: Ganz so krass wie auf anderen Sportlern ist es auch wieder nicht, dennoch kriegen betagte Fahrer wie wir nach einer Stunde Rücken. Für die lange Tour eignet sich die Maschine nicht - und zu zweit schon mal gar nicht, weil der Beifahrer lediglich ein Sitzbrötchen vorfindet und die Knie ob der hoch montierten Fußrasten zwischen seinen Ohren wiederfindet. Geschenkt, wer will bitte auch diesem Bike außer im Notfall zu zweit fahren???
 
Abmessungen
Tja - Sitzposition eines SuperSportlers. Achtet auf die Position der Fußrasten und des Lenkers.

360 Grad Rundgang um die MV Agusta Superveloce 800

Lampen vorne Beleuchtung hinten Cockpit Superveloce 800

Technik der MV Agusta Superveloce 800

Die Superveloce kommt mit allem Schnickschnack, den es derzeit für Motorräder gibt: 6-Achsen IMU mit Schräglagensensorik, 8-fach einstellbare Traktionskontrolle, Launch-Control, Wheelie-Control, 5" Farb-TFT Display, Handy-Connect via MV "MyRide"-App und sogar einen Tempomaten (!) hat MV der Superveloce spendiert. Hier merkt man am deutlichsten die Verwandtschaft zur F3, die technisch nahezu identisch ist.

Eine automatische Blinkerrückstellung hat MV leider vergessen, genauso irritiert hat uns der nicht einstellbare und etwas billig wirkende Kupplungshebel, der an einem ansonsten so hochwertigen Bike nichts zu suchen hat. Freuen tun wir uns über eine radiale Bremspumpe von Nissin und über eine gar nicht mal so komplizierte Bedienung der vielen Optionen der MV. Man über die App sogar eine Pfeilnavigation auf das Display legen. Die Beleuchtung ist komplett in LED ausgeführt, eine Warnblinkanlage gibt es aber nicht. Gerade die Beleuchtung vorne und hinten ist aber so schick ausgefallen, dass wir MV hierzu nur gratulieren können!

MV Agusta Superveloce Einarmschwinge

So fährt sie sich

Bevor es losgeht, noch eine kurze Anmerkung zum sehr kurzen Radstand von nur 1,38 m. Dies führt dazu, dass große Personen sich ein wenig "eingeklemmt" fühlen. Das mag man bei einem Supersportler mögen, Dietmar hätte aber gerne ein wenig mehr Platz nach hinten gehabt. Dafür sitzt man natürlich herrlich integriert in der Maschine und will im Stand nur noch eins: Den Fuchs anwerfen und abgehen lassen!
 
Der Sound der Superveloce ist ähnlich der ebenfalls bereits von uns getesteten F3 RR: Untenrum klingt er wie ein Sack geschüttelter Muscheln (diese sehr treffende Bezeichnung haben wir geklaut!) und obenrum schreit vor Vergnügen er seinen Fahrer an wie ein Windhund, der auf der Jagd nach dem Hasen losgelassen wurde. Das ist wirklich ein Erlebnis und keine andere Marke klingt vergleichbar. Eine Ducati mit 3 Zylinder würde ähnlich klingen, aber die gibt es ja nun einmal nicht - warum eigentlich?!
 
Beim Fahren fallen neben dem betörenden Sound zwei weitere Dinge sofort auf: Die Superveloce ist superhandlich und der Quickshifter funktioniert tadellos. Egal, ob man am Gas hängt oder nicht, das Rauf- und Runterschalten ohne zu kuppeln geht ruckelfrei und wie von Geisterhand. Wir haben tatsächlich selten einen so perfekten Quickshifter genutzt. 
 
Die Superveloce hat ein sehr großes, nutzbares Drehzahlband. Ab 3.000 Umin gehts bis 13.000 Umin (!) wunderbar harmonisch ans Gas. Untenrum gibt sich der Triple noch handzahm, aber spätestens bei 8.000 Umdrehungen wird es dann turbulent. Dann fühlt sich der Motor spürbar wohl, alles wirkt plötzlich sehr fein und auch die Gasannahme ist dann genau richtig zwischen direkt aber nicht überfordernd. Diese Machart führt allerdings dazu, dass man eigentlich immer zu schnell fährt. Dagegen kann man auch nichts machen, außer man zwingt sich dazu! Wir empfehlen, bereits vor der ersten Fahrt finanziell den Abschluss eines Punkteabos in Flensburg fest im Budget einzuplanen.
 
Bemerkenswert ist auch die Bremsleistung der MV. Die Monoblock-Brembos, die von einer radialen Nissin-Bremspumpe gefüttert werden, beißen bissig, aber fein dosierbar in die 320er Doppelscheiben und bringen das Bike im Nu zum Stehen, ohne dass der Fahrer dabei große Handkräfte einsetzen müsste. Das Continental MK100 Kurven-ABS regelt ebenso fein und auch bei Vollbremsungen fängt das Heck nicht an zu Schwänzeln oder kommt irgendeine sonstige Unruhe in die Fuhre. Ebenso souverän wirkt das voll einstellbare Fahrwerk der Superveloce. Die Kombination aus Marzocchi USD-Gabel und ZF-Sachs Federbein hinten macht einen sehr guten Job. Selbst bei 258 km/h laut Tacho (siehe Autobahnfahrt im Testvideo) liegt die MV auf der Bahn wie ein SuperSportler das gefälligst auch tun sollte. Das ist angesichts der Fahrwerksgeometrie (kurzer Radstand und sehr steil stehende Gabel) aber alles andere als selbstverständlich!
 

Fazit - was bleibt hängen

Gute Güte, was für eine Maschine! Seit dem Erscheinen der Superveloce 2020 habe ich mich nach einem ausführlichen Ausritt gesehnt. Und ich habe jede Minute mit der MV genossen. Natürlich ist auch die  Superveloce in machen Dingen eine kleine italienische Diva, aber insgesamt war ich schon überrascht, wie ausgewogen sie ist. Sie ist herrlich unvernünftig laut und wenig alltagstauglich und wird daher entweder über Landstraßen und Rennstrecken gescheucht oder eben ins Wohnzimmer gestellt - obwohl sie dafür eigentlich zu schade wäre. Am besten für beide Zwecke gleich zwei bestellen!
 
Das Testbike wurde uns freundlicherweise von Bergmann & Söhne in Hamburg zur Verfügung gestellt. Dort steht sie in Rot als Vorführer und in Gelb zum Anschauen. Überhaupt lohnt sich ein Besuch am Nedderfeld allemal, denn die MV-Ausstellung von Bergmann und Söhne ist für jeden Motorrad-Fan eine Offenbarung. Man darf sich doch tatsächlich kostenlos all diese Kunstwerke aus Varese ansehen und sich sogar draufsetzen. Leute, macht das, solange das noch möglich ist. Denn wer weiß, vielleicht müssen wir irgendwann einmal auch Motorräder online bestellen ... möge das bitte noch lange dauern.

Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre

  • Preis: 21.390€
  • Gebraucht (3 Jahre alt): 16.500€
  • Baujahre: 2020-2022
  • Farben: rot, gelb
Pro & Kontra
Pro:
  • Optik zum Niederknien
  • Motor mit großem, nutzbaren Drehzahlband
  • Modernste Technik
  • Top Bremsen
  • Triple-Sound vom Feinsten
  • einstellbares Fahrwerk
Kontra:
  • auf Dauer anstrengende Sitzposition
  • Beifahrer nur für den Notfall
  • bescheidener Lenkeinschlag inkl. Daumenklemm-Garantie
11.2022: MV Agusta Superveloce 800 im Test
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