Test: Indian FTR 1200 S

Sandkasten-Spieler

image Fotos: Motorradtest.de

Was dem einen seine Scrambler, ist dem Indianer sein Fast Track Racer. Kann die amerikanische Maschine mit der etablierten europäischen Konkurrenz von Ducati, Triumph & Co mithalten? Wir erlebten eine Überraschung beim Test der Indian FTR 1200 S.

Doch kein Eisenschwein

Der Dietmar, der hat schon so seine Ideen. Meistens gute, aber jetzt soll ich mit raus, eine Indian testen. Schon klar. Als Redakteur muss man seine persönlichen Vorlieben zurückstellen können, aber so richtig heiß war ich nicht, (abgesehen davon, dass wir bei den Videofahrten eine Außentemperatur von 4 (in Buchstaben: vier) Grad hatten). Wie immer weitgehend unvorbereitet schlug ich mit dem wie immer glänzend vorbereiteten Dietmar beim Indian-Händler in Hamburg auf.

Ich erwartete ein richtiges Eisenschwein, immerhin gilt Indian als harter Harley-Konkurrent. 350 Kilo Leergewicht, Dolby-Surround-Anlage und eingebauter Bierdosen-Spender für hinten. Doch, weit gefehlt: Auf den ersten Blick identifizierte ich das vor mir stehende Moped als Scrambler, womit ich halb danebenlag. Das Ding aus einer anderen Kategorie, genannt Indian FTR 1200 S, wirkt schon auf den ersten Blick klasse. Wie immer bei Vorurteilen konnte ich auch das vom unbeweglichen Eisenschwein begraben. Wir schaffen das, der Dietmar und ich.

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Sandbahnrenner für die Straße

Jeder Hersteller ist bestrebt, seine Kundenbasis zu erweitern. Also bringt er neue Modelle, bei denen man sich hin und wieder fragt, ob Modell und Marke zusammenpassen. Die Ducati Diavel ist so ein Moped. Die Frage stellt sich bei Indian umso mehr, als Harley und Indian im Normalfall dicke Cruiser herstellen. Diese werden jedoch immer seltener nachgefragt, Harley steht regelmäßig vor der Pleite. Umparken im Kopf ist angesagt: Indian hat den Vorteil, dass die neue FTR eine große „Street Credibility“ hat, denn die älteste Motorradmarke der USA ist seit 2016 im „Flat Track“-Racing aktiv und sehr erfolgreich. Flat Track-Rennen sind im Grunde brutale Sandbahnrennen, die gefühlt zu 101 Prozent im Drift stattfinden. Wer mehr wissen will, guckt auf die Indian-Seite.

Was also auf den ersten Blick wie eine Scrambler wirkt, löst die Modellbezeichnung FTR in „Flat Track Racer“ auf. Aber da steht noch mehr. Und – jetzt wäre Zeit für Jubel – 1200 Kubik, die eine Ansage sind. Satte 123 PS gibt Indian als Leistung an, was sie gegen die Konkurrenz auf Platz 1 rocken lässt. Das S schließlich bringt neben einem Aufpreis von 1.300 Euro auf stattliche 15.990 Euro Neupreis einen Touchscreen, ein voll einstellbares Fahrwerk, drei Fahrmodi sowie eine schräglagenabhängige Traktions- und Stabilitätskontrolle mit sich. Ist es den Aufpreis wert? Sagen wir es mal so: Auf die 1.300 kommt es auch nicht mehr an.

Jetzt aber los – einsame Straßen suchen.

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Durchzug ohne Ende

Das dumpfe Bollern aus den Akras ist schon einmal nicht schlecht. Die Einstellung per Touchscreen ist so praktisch wie sie nur sein kann, zumindest im Stand. Das hat uns rundum gut gefallen. Trotz stattlicher 231 Kilo wirkt die FTR 1200 S bei Langsamfahrt keineswegs schwerfällig. Der Motor ist der Hammer, so viel schon mal vorweg. Der V2 ist im Gegensatz beispielsweise zu Ducati-Triebwerken ab knapp über Leerlaufdrehzahl leistungswillig. Tatsächlich zieht die Indian aus dem Keller los als gäbe es kein Morgen.

120 Newtonmeter drückt der V2 unter dem Fahrer hindurch ans Hinterrad, mehr als genug, um das Vorderrad auf Augenhöhe zu bekommen. Dabei ist die Laufkultur für einen V2 sehr gut. Eine Drehorgel ist die Indian nicht, bei 8.250 Umdrehungen liegt die Maximalleistung an, und mehr muss es auch nicht sein.

Für Tempobolzer ist sie nicht gedacht, was nicht nur an ihrem Windschild oder besser dem Fehlen dessen liegt. Die Maximalgeschwindigkeit ist mit 193 km/h erstaunlich gering, bei 123 PS könnte es mehr sein. Aber wozu? Der Geradeauslauf ist zwar tadellos, ebenso das Kurvenverhalten. Und dennoch teilt die Indian FTR 1200 S dem Fahrer jederzeit mit, dass sie für so etwas nicht gebaut ist (wie alle Scrambler übrigens auch nicht). Eher begeistert sie mit ihrem schlagartigen Durchzug in jeder Lebens- und Drehzahllage (60 auf 100 km/h in 3,4 Sekunden) als mit maximalen Schräglagen.

Ein Wort zu den Reifen. Diese hat Dunlop extra für die FTR 1200 entwickelt und sollen den Sandbahn-Look sowie deren Tauglichkeit auf losem Untergrund verstärken. „Speziell entwickelte Reifen“ klingt natürlich schwerst wichtig, bedeutet in der Realität aber zweierlei: In zehn Jahren wird es diese Reifen nicht mehr geben, vorher werden sie niemals günstig sein. Ich würde den mitgelieferten Satz (siehe Foto) nicht wegschmeissen, aber die Indian beim nächsten Wechsel auf Reifen stellen, deren Grip auf Straßen höher ist. Wer, bitte schön, düst denn in St Peter-Ording mit seiner FTR über den Sand?

Es geht ohne Scrambler

Was also ist das Revier der Indian? Lange Reisen eher nicht. Dem stehen der nur 13 Liter fassende (dafür wunderschöne) Tank entgegen, der schon erwähnte fehlende Windschutz und die Tatsache, dass die Sozia nicht gerade verwöhnt wird. Auf dem Platz in der zweiten Reihe ist leiden angesagt, er ist knapp, und die Fußrasten liegen sehr hoch.

Auch hier ähnelte unser Fast Tracker also den Scramblern der Konkurrenz. Ich persönlich würde nie eine Scrambler kaufen: Ob Ducati, Triumph oder BMW – bei allen saß ich auf dem Motorrad. Die Indian hingegen versteht es sehr schön, den Fahrer zu integrieren, er ist stärker als bei der Konkurrenz ins Fahrzeug eingefasst.

Jetzt müsste ich für ein typisches Zweit- oder Hobbybike nur noch knapp 16.000 Euro auftreiben … schön ist sie schon und in ihrer Durchzugskraft … aber ich wiederhole mich, deshalb ist hier jetzt Schluss. Fazit: Alle haben eine Scrambler, nur Indian nicht. Macht nichts: Es gibt ja die FTR 1200 S.

Das Testbike wurden uns von Legendary Motorcycles in Hamburg zur Verfügung gestellt. 

Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre

  • Preis: 15.990€
  • Gebraucht (1 Jahr alt): 13.500€
  • Baujahre: seit 2019
  • Verfügbarkeit: mittel
  • Farben: rot/grau; silber/schwarz
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