Test: Kawasaki Ninja 400
Klein, aber grün
Supersportler? Das sind doch diese Rennpfeile, die zwar unbequem, aber dank des ausgefeilten Fahrwerks und teils absurd hoher PS-Leistungen die Königinnen der Autobahn sind. Stimmt. Doch keine Regel ohne Ausnahme: So hat Kawasaki mit der Ninja 400 und deren 45 PS die Bonsai-Ausgabe eines Supersportlers im Programm. Klappt das? Test.
Klein, leicht und niedrig
Keine zwei Meter Motorrad stellt Kawa den 400-Besitzern in die Garage, und mit 168 Kilo ist sie ein Leichtgewicht. Die Formel des Mini-Supersportlers haben die Japaner in verschiedenen Baureihen immer weiter verfeinert. Die Ninja 400 löste 2018 die Vorgängerin Z300 ab und leistet 45 PS. Damit ist sie einerseits für A2-Führerscheininhaber geeignet, andererseits stellt sich die Sinnfrage: Ein Supersportler mit schütteren 45 PS und nicht mal 200 km/h Höchstgeschwindigkeit? Echt jetzt?
Das werden wir gleich mal herausfahren. Vorher ein Blick auf die Maschine. Im Gegensatz zur Vorgängerin ist die Sitzbank um drei Zentimeter schmaler geworden. Zusammen mit der moderaten Sitzhöhe von 785 Millimetern sitzen, stehen und fahren auch Kurzbeinige sicher. Für normal große Fahrer bedeutet dies nicht, dass sie nichts mit der Kawa anfangen können. Dank des angenehmen Kniewinkels passt es meist so, auf Wunsch gibt es eine höhere Sitzbank.
Viel einzustellen gibt es nicht
Überhaupt gibt sich die Ninja 400 im Umgang angenehm: Die Sitzposition ist durchaus sportlich, aber man fühlt sich nicht wie über den Tank gezogen. Der Lenker ist sportlich, doch die Knöchel kommen auch bei engagierter Kurvenfahrt nicht mit dem Asphalt in Kontakt. Erstaunlich gut ist die Sitzposition des Beifahrers. Nicht missverstehen: Richtig komfortabel ist das keineswegs, aber den Baggersee erreicht man, ohne den Rest des Tages die Beine nicht mehr ausstrecken zu können.
Das Cockpit ist übersichtlich und überrascht mit einem analogen Drehzahlmesser (roter Bereich ab 12.000 Touren). Bremsen und Kupplung gehen leichtgängig und liegen gut zur Hand, obwohl die Hebel nicht verstellbar sind. Das Fahrwerk ist bis auf die Federbasis hinten nicht einstellbar. Zur Ausstattung zählen die LED-Beleuchtung (bis auf die Blinker) und das ABS. Damit allerdings endet die Aufzählung der elektronischen Helferlein, mehr gibt’s klassenüblich auch für Geld und gute Worte nicht. Die Zubehörliste ist hingegen lang: Ob Akra-Sportauspuff, Soziusabdeckung oder Bugspoiler: Den nicht eben geringen Basispreis von 6.429 Euro kann der Besitzer locker nach oben treiben.
Genug der Theorie, wir nehmen die Kleine mit auf die Straße.
Je enger, desto besser
Das Starten gelingt problemlos, ebenfalls die Abfahrt. Trotz des schüchternen Drehmomentchens von nur 38 Newtonmetern bei 8.000 Touren reagiert die Kawa untenrum anständig. Hier muss nicht mit Gas und Kupplung gezaubert werden, um einen sauberen Start hinzulegen. Mögen die Supersportler der 150-plus-PS-Klasse deutlich mehr Schmalz haben – es plagt sie im Vergleich zur Kawa Ninja 400 das Übergewicht. 168 Kilo sparen einige PS, die leistungsstärkere Maschinen allein dafür brauchen, um ihr Eigengewicht zu beschleunigen.
Gutes Stichwort: Beschleunigung. Unter 3.000 passiert nicht viel, darüber nimmt die Ninja 400 selbst ruckartiges Aufdrehen des Gashahns nicht übel. Konstant geht es weiter aufwärts im Drehzahlband, bis der Wohlfühlbereich bei 6.000 Umdrehungen erreicht wird. Ab hier jubelt der 399 Kubik große Zweizylinder auf und voran. Die Maximalleistung liegt bei 10.000 an, und dabei sollte es bleiben. Weiter bis zu den erlaubten 12.000 bringt außer Vibrationen kaum Mehrleistung.
Bis 100 km/h bedeutet das eine Wartezeit von 5 Sekunden. Kurz zur Einordnung: Etwa die gleiche Leistung bringt eine KTM 390, die BMW 310 GS ist mit 34 PS schon deutlich schwächer. Es gibt gestandene Motorradfahrer, unter 100 PS habe die Welt des Motorradfahrens keinen Sinn. Die Kawa beweist das Gegenteil, denn es geht flott voran. Wer schnell sein will, muss sich allerdings anstrengen: Das Sechsganggetriebe muss fleißig bedient werden, um bei flotter Fahrt im Wohlfühlbereich zu bleiben. Souveräne Motorisierung ist das im Vergleich zu den Großen nicht, aber langsam eben auch nicht.
Die Stunde der Ninja 400 schlägt, wenn es eng wird, die Kurven serpentiniger oder gar bergab. Da gelingt es der Kleinen, die Supersporttreiber richtig zu ärgern. Wie leicht und willig sie sich in Kurven schmeissen lässt, das hat was. Ob Einzelkurve oder Geschlängel, je mehr, desto Ninja 400. Sieht wahre Sportlichkeit etwa so aus, dass die Kleine in der Lage ist, ihre großegroßegroße Schwester H2 mit Kompressor und 200 PS in die Enge zu treiben?
Noch besser würde das gelingen, wenn die Bremsen der Ninja 400 engagierter zur Sache gehen würden. Unsicher ist hier nichts, aber mehr als ein Okay ist nicht drin. Die Bedienung ist in Ordnung, aber richtig reinhauen tun die Stopper nicht, und vorne gibt es nur eine Einzelscheibe. Eine Pause einlegen, das geht deshalb immer. Und hilft dem Allerwertesten, mit dem das straffe Fahrwerk kein Mitleid zeigt. Ja, es ist ein Supersportler, nur eben in klein, und kein Supertourer.
Es klappt - aber nicht für jeden
Klappt das also, 45 PS und Supersportler? Ja, es klappt. Sofern man sportlich nicht nur über die reinen Fahrleistungen definiert, sondern sich an der Wendigkeit erfreuen kann. Wenn alles andere irgendwie zu hoch, zu groß und schwer ist, dann passt die Kawasaki Ninja 400.
Und erst dann macht sie Sinn, denn eines ist klar: Mit rund 6.400 Euro ist sie kein Schnäppchen. Billig ist sie nicht und will sie nicht sein. Aber ein Motorrad, das überraschen kann. Und das klappt.
Das Testbike wurde uns von Heller und Soltau in St. Michaelisdonn zur Verfügung gestellt.
Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre
- Preis: 6.429€
- Gebraucht (2 Jahre alt): 5.100€
- Baujahre: seit 2018
- Verfügbarkeit: gut
- Farben: grün, schwarz