Aprilia Tuono 660 im Test
Rasiermesser mit typisch italienischem Charakter
Herrlich, die Aprilia Tuono 660 ist eine echte Italienerin. Mit Ecken und Kanten, zu weil etwas divenhaft, aber immer mit Charakter und niemals beliebig. So wünschen wir uns Motorräder, kein einerlei, sondern Statement pur: #be a racer!
Tunos gibt es von Aprilia schon seit 2002. Das Rezept ist immer dasselbe: Man baue einen Racer (in diesem Falle die RS 660), nehme die Verkleidung ab und erhöhe und verbreitere den Lenker - fertig ist das Naked-Bike namens Tuono. Das heißt übersetzt übrigens nicht Thunfisch (Grüße an 1000PS Zonko), sondern Donner. Und genau so klingt sie auch, doch dazu später mehr. Ein echtes Naked-Bike ist die Tuono 660 unseres Erachtens übrigens nicht, dazu ist die Halbschalenverkleidung samt Bikini-Scheibe etwas zu präsent. Ist aber auch völlig egal, sie sieht einfach umwerfend aus - auch dank Bikinischeibe und Halbschale!
So steht sie da
Der Gang ums Motorrad offeriert ausnahmslos schöne Ansichten. Herrlicher Brückenrahmen, schön anzusehende Zweiarmschwinge und ein attraktives Lampendesign vorne und hinten. Das Ganze garniert mit knallroten Felgen und einem Stummel-Auspuff sowie einem oben breiten und nach unten aber schlank zulaufenden Tank. Das erinnert verblüffend an die MT-09 von Yamaha, ist bei der Aprilia aber irgendwie italienischer. Design können Sie halt, die Junx und Mädels aus Noale.Das soll sie können
Die Tuono 660 hat ein recht kleines TFT-Farbdisplay, das zudem etwas verspielt wirkt. Es gibt Ride by Wire und fünf Fahrmodi, von denen drei für die Straße gedacht sind und zwei für die Rennstrecke. Ein Straßenmodus nennt sich "Individual" und er hält, was er verspricht: Man kann gleich fünf Parameter einstellen: Leistung, Traktion, Motorbremse, Wheelie-Control und ABS. Nicht schlecht für ein Naked-Bike der Mittelklasse. In Serie dabei ist außerdem ein Tempomat (!), optional gibt es außerdem eine Mehr-Achsen IMU für die Schräglagen-Kontrolle.
Auch bei der Bremsanlage geht Aprilia in die Vollen. Die Brembos vorne und hinten funktionieren ausgezeichnet und haben mit dem geringen Gewicht der Tuono leichtes Spiel. Die Bremse ist bissig und trotzdem gut dosierbar, die Maschine steht wenn es sein muss sofort auf Kommando.
Überraschend gut funktioniert übrigens auch der Windschutz der kleinen Bikini-Scheibe. Der Helm liegt verwirbelungsfrei komplett im Wind und Schultern und Oberkörper sind nahe zu frei vom Winddruck.
So fährt sie sich
Die ersten Meter mit der Aprilia Tuono 660 sind überraschend: Die Maschine ist leichter zugänglich als erwartet. Die Gasannahme in den beiden Modi "Commute" und "Dynamik" ist anfängertauglich, erst im Individual-Modus wird es dann direkter und etwas unruhiger. Die Unterschiede der Fahrmodi sind - anders bei vielen anderen Motorrädern - auch sofort spürbar. Von weich und handzahm bis roh und ruppig ist alles dabei. Das finden wir klasse und echte Racer werden im schärfsten Modus sofort mit echtem Aprilia-Feeling belohnt.
Die Tuono begeistert mit einem super-agilem Fahrwerk und ist dabei messerscharf. Sie erinnert uns vom Fahrverhalten sehr an die KTM 890 Duke R. Eine einmal gefundene Linie verfolgt die Aprilia rasiermesser-like durch die Kurve. "Be a racer", mit der Tuono kein Problem. Sie ist zwar nicht ganz so fein wie eine Triumph Street Triple, aber ihr etwas roherer Charakter begeistert uns trotzdem. Die 95 PS stellen sich wie so oft als komplett ausreichend heraus und machen die Maschine A2-Drosselfähig. Kein schlechter Schachzug von Aprilia, denn die Zielgruppe für dieses Bike dürfte recht jung sein - und da will man sich nicht alle 2 Jahre eine neue Maschine kaufen müssen.
Beschleunigung und Durchzug der Aprilia Tuono 660 sind klassenüblich, fühlen sich aber irgendwie besser bzw. schneller an. Das liegt vermutlich am omnipräsenten Sound. Das Kayaba-Fahrwerk (Zugstufe & Vorspannung sind vorne und hinten einstellbar) macht einen supersportlichen Job, ohne dass es an Komfort mangeln würde. Gleiches gilt für die Pirelli Diablo Rosso Corsa II, auch nicht gerade ein Billig-Gummi.
Fazit - was bleibt hängen
Dir Aprilia Tuono 660 hält, was sie verspricht. Sie ist ein sportlich-rassiges Naked-Bike mit gaaaanz viel Charakter. Der Preis von 10.500 Euro ist etwas ambitioniert, vor allem im Vergleich zur Schwester RS 660, bei der der QuickShifter in Serie dabei ist. Wir würden trotz des Aufpreises von 219 Euro bei diesem Motorrad unbedingt zum QuickShifter raten, weil es a) zu diesem Bike passt und weil b) das 6-Gang Getriebe etwas knochig und hakelig ist.Die Tuono lässt einen nicht kalt, sie ist nicht perfekt und das ist auch gut so. Jede Fahrt wird zu einem Erlebnis und Design sowie Lautstärke lassen einen Tuono-Biker aus der Masse hervorstechen - geiles Bike!
Das Testbike wurde uns zur Verfügung gestellt von Zweirad-Technik-Schielmann in Bokel - vielen Dank.
Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre
- Preis: 10.550 €
- Verfügbarkeit: ab 2021
- Farben: grau, schwarz, gold