Test: Royal Enfield Himalayan

Sie ist wieder da

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Es geht die Sage um, dass Yamaha seine legendäre XT 500, vorgestellt 1976, nicht mehr baut. Das ist natürlich Unsinn – sie heißt jetzt nur anders, nämlich Royal Enfield Himalayan. Mit dieser Wiedergängerin der klassischen Enduro in Reiseausführung haben wir uns auf die Piste gewagt.

Praktisch ist sie

Man kommt ohnehin nicht daran vorbei, also können wir es auch jetzt tun. Lasst uns also über Geld reden. Mit einem Neupreis von 4.690 Euro zählt die gut ausgestattete Royal Enfield nicht nur zu den günstigsten Bikes im Markt, sondern – so viel sei vorweggenommen – sie ist bei all ihren Qualitäten ein echtes Schnäppchen.

Damit könntet ihr das Weiterlesen sein lassen und zum nächsten Händler fahren.

Aber was würdet ihr für knappe 4.700 im Einzelnen bekommen? Hier die Details: Die Himalayan ist eine klassische Reiseenduro. Und diese Aufgabe nimmt sie fürchterlich ernst. Deshalb sieht sie ein bisschen – nun ja - ernst aus. Die farblosen Farben (weiß und grau) unterstreichen die Ernsthaftigkeit, vor allem aber der ungewöhnliche Rahmen. Dieser ist nicht nur überall sichtbar, sondern wirkt irgendwie von draußen angeschraubt. So, als würde ein Mensch sein Skelett außen über der Haut tragen.

Das mag sehr rustikal wirken, aber eigentlich ist es eine tolle Idee. Überall an diesem Rahmen sind Sachen wie der Hauptscheinwerfer angeschraubt, aber das ist noch nicht alles. Es finden sich weitere Löcher und Ösen, an denen man noch mehr anbringen kann, zum Beispiel die Alukoffer oder ein Skateboard (alles schon gesehen). Das ist ein bisschen so wie diese höchst praktischen Kellerregale, nur dass dieses in der Gegend herumfährt.

Virtueller Rundgang um die Royal Enfield Himalayan
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Auch für kleinere Menschen geeignet

Für das Fahren zuständig ist ein neu entwickelter Einzylinder mit satten 24,5 PS. Humor haben sie ja, diese Inder. Entgegen der üblichen Konventionen hat der neuere Motor nicht nur weniger Kubik als die alten Triebwerke, er leistet auch weniger. Muss man erst mal bringen, so etwas.

Entgegen der Erwartungen ist die sehr bequeme Sitzbank auch für kleinere Menschen zugänglich. Auf diesen Himalaya kommt man ohne Bergsteigerausrüstung (blödes Wortspiel, aber konnte ich mir nicht entgehen lassen). Mit 800 Millimetern Sitzhöhe fährt der Pilot sehr gut integriert in der Himalayan und hat die 191 Kilo schwere Fuhre jederzeit im Griff. Vor dem Ablegen noch schnell ein Blick auf die Uhrensammlung: Da findet sich wenig Überraschendes, alles macht einen angemessen retrostyligen Eindruck. Selbst die Tankuhr wirkt nicht nur analog, sondern setzt tatsächlich auf einen kleinen Zeiger. Etwas aus dem Rahmen fällt in dieser Umgebung der Kompass, der nicht ein massiver Schiffskompass ist – sondern tatsächlich digital.

Dann mal los.

image Fotos: Motorradtest.de

Sie beschleunigt - ein bisschen

Die 411 Kubikzentimeter des Einzylinders produzieren die schon erwähnten 24,5 PS. Das tun sie gar nicht mal schlecht. Eine gewisse Anfahrschwäche kann nicht geleugnet werden, aber es geht voran. Etwas, das man guten Gewissens als Beschleunigung bezeichnen kann, entwickelt sich ab 2.000 Touren, ab 3.000 geht’s strammer voran. So schiebt man Gang um Gang nach, fünf reichen für den Fahrbereich bis 110 km/h aus. Royal Enfield gibt die Höchstgeschwindigkeit mit 127 km/h an, doch uns fehlt etwas die Phantasie, wo es in ganz Deutschland eine genügend lange Strecke geben soll, um der Himalayan den dazu benötigten Anlauf zu gewähren.

Das mit der Geschwindigkeit erwähnen wir aufgrund unserer hohen Arbeitsmoral als Motorradtester, jedoch ist diese Info komplett überflüssig. Wer dieses Moped über die Piste scheuchen will, ist irgendwie im falschen Film. Im richtigen Streifen gibt’s Schotter, Hügel, miese Pisten, was zu erobern oder zumindest zu entdecken. Wie Enterprise-Kapitän James T. Kirk es formulierte: Mutig dahin gehen, wo vorher noch nie ein Mensch war.

Der gute Fahrkomfort trägt seinen Teil dazu bei, dass diese in Deutschland eher seltenen weißen Flecken unentdeckten Landes auch mal nur ganz normale Landstraßen sein können. Man könnte ja, wenn man wollte. Auf jeden Fall sollte man voraus blicken können, denn die Bremsen mit ABS, vor allem die vordere Einzelscheibe, sind nicht die größten Vorteile der Himalayan, um es mal gaaaanz vorsichtig auszudrücken.

Dafür ist sie sehr handlich. Auf der Landstraße lässt sie sich präzise ausrichten, und auch die Stadt muss keiner fürchten. Eines sollte man jedoch wissen: Um im Gelände gut zu sein, was sie mit ihrem serienmäßigen Motorschutz ist, braucht‘s angemessene Sohlen. Diese Dual-Purpose-Pneus von Pirelli machen ihre Sache abseits der Straße anständig, aber die Idealbesetzung auf Teer sind sie nicht. Trotz verhaltener Motorleistung kann die Himalayan so auf nasser oder leicht rutschiger Straße kurz vom rechten Weg abdriften.

Nicht ganz so klasse ist der Windschutz trotz serienmäßiger Scheibe, dafür ist der Soziuskomfort gut.

Ein Schnäppchen 

Was bleibt also? Die Royal Enfield ist ein Motorrad für die, die auf Motorleistung nicht nur wenig, sondern gar keinen Wert legen. Diese erhalten ein handliches Motorrad für alle entschleunigten Tage der Woche. Und im Urlaub? Der kann lang oder kurz, nah oder fern sein, der Himalayan ist es egal. Was immer anliegt, sie erledigt es in ihrer ruhigen, unaufgeregten Art.

Hatten wir eigentlich schon den Preis erwähnt? Falls nicht: 4.690 Euro mit guter Ausstattung kostet dieses Entdecker-Bike für Individualisten. Ein Schnäppchen …

Das  Testbike wurde uns vom von 2radhaus Stadie (Pinneberg bei Hamburg) zur Verfügung gestellt.

Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre

  • Preis: 4.690 €
  • Gebraucht (2 Jahre alt): 3.900€
  • Baujahre: seit 2016
  • Verfügbarkeit: knapp
  • Farben: weiß, grau
Pro & Kontra
Pro:
  • Preis-Leistung
  • Geländetauglichkeit
  • Fahrkomfort
  • Ausstattung
Kontra:
  • Laue Bremsen
  • Nichts für Leistungsfetischisten
03.2020: Test: Royal Enfield Himalayan
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