Test: BMW R18

Die Ansage

image Fotos: Motorradtest.de

Tja, die Ansage lautete, dass BMW mit der brandneuen R18 dem gesamten Cruiser-Markt zeigen wollte, wie man so ein Bike richtig macht. BMW-Style eben. Herzstück des Ganzen ist ein neukonstruierter Boxer mit 1800 Kubik und jeder Menge Drehmoment. Müssen sich Harley & Co. ab sofort warm anziehen?

Vom Marketing zur Straße

Kaum jemals zuvor wurde ein Motorrad mit einem derartigen Marketing-Aufwand in den Markt gedrückt. Ob Designstudien beim Oldtimer-Event Pebble Beach in den USA oder eine eigene Präsentation des neuen Zweizylinder-Boxermotors – tatsächlich über Jahre hinweg hielt BMW die Spannung bis zum Marktstart aufrecht. Das hier, die kommende R18, so die Botschaft, würde etwas ganz Besonderes werden.

Und tatsächlich ist das nun vorgestellte Motorrad etwas ganz Besonderes. Vielleicht nicht in jeder Einzeldisziplin, aber in der Summe ihrer Eigenschaften ist sie zumindest speziell. Klar, die Triumph Rocket hat mit 2458 Kubikzentimetern mehr Hubraum, eine Indian Roadmaster mit 168 Newton ein höheres Drehmoment, und eine Harley Electra Glide Ultra ist mit 414 Kilo noch schwerer.

Dann werfen wir mal einen Blick in die Daten, die unbestechlich sind und einen Vorgeschmack auf die kommenden Testkilometern liefern. Die BMW hat einen ellenlangen Radstand von 1,73 Metern und wiegt satte 341 Kilo. Davon alleine bringt der Zweizylinder-Boxer 100 auf die Waage. Und in seinem Inneren rotiert eine zehn Kilo schwere Kurbelwelle, was auf riesige bewegte Masen schließen lässt – der Test auf der Straße wird dies bestätigen.

Um die 341 Kilo bewegen zu können hat BMW eine Rückfahrhilfe verbaut (gegen Zuzahlung natürlich, diese kostet 945 Euro). Der Anlasser schiebt das Motorrad dann rückwärts aus der Lücke, einen echten Rückwärtsgang wie bei der Honda Goldwing sparten sich die Bayern jedoch.

Virtueller Rundgang um die BMW R18
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Günstig ist das alles nicht

Apropos Extras: Bei BMW ist man von jeher der Ansicht, dass eine rudimentäre Ausstattung reicht und bittet den geneigten Kunden mit mehr oder weniger sinnvoll zusammengestellten und in jedem Fall aufpreispflichtigen Paketen erneut zur Kasse. Das ist die negative Sicht der Dinge. Positiv vermeldet ist es so, dass die Zubehör-Auswahl der R18 einfach riesig ist. Wer will, kann sich so seine ganz individuelle R18 zusammenstellen. Der Grundpreis von 22.250 Euro für die „First Edition“ lässt sich mit wenigen Kreuzchen der Aufpreisliste auf etwas mit einer 3 vorne bringen, und da ist lange nicht Schluss.

Teuer? Aber sicher. BMW hat nie behauptet, dass sie den Markt von unten aufrollen wollen. Schon serienmäßig ist die Verarbeitungsgüte auf hervorragendem Niveau, und liebevolle Details kann der Beobachter überall entdecken. Besonders gut gefallen hat uns der einteilige Spiegelfuß, die kleine Abdeckung hinter dem Auspuff oder die doppelwandige Auspuffanlage, die das Bläuen des Chroms verhindern soll. Mein persönlicher Hit: der offen liegende Kardan. Wie konnte BMW für so etwas eine Betriebserlaubnis bekommen? Das ist ganz großes Kino. Die R18, so viel ist klar, ist ein Statement des Designs.

Unter den Cruisern ist die Sitzposition der R18 einzigartig. Ist der Cruiser-Pilot bei der Konkurrenz gewohnt, die Füße in Richtung Horizont zu schieben und so den gewünschten Grad der Lässigkeit zu erreichen, kann man das bei der BMW vergessen. Da, wo sonst die Unterschenkel sind, stehen die Zylinder der Boxermotors heraus. Der Oberkörper ist cruisertypisch positioniert, die Beine jedoch angewinkelt. Bei nur 690 Millimetern Sitzhöhe könnte der Kniewinkel zum Problem werden, aus unserer dreiköpfigen und teils langbeinigen Testcrew hat sich niemand beschwert.

Kann so ein Kunstwerk auch fahren? Dann mal los.

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Königin des Drehmoments

Der Blick fällt auf ein schönes, klassisches Analoginstrument für die Geschwindigkeit. Darin integriert Digitalanzeigen für Tank, Bordcomputer und die Drehzahl in 50er-Schritten. Die Fahrmodi heißen „Rain“, „Rock“ und „Roll“, was manche witzig, andere überzogen finden. Wie auch immer: Es funktioniert alles tadellos.

Ach ja, es ist eine BMW. Mit Boxermotor. Immer wieder vergesse ich eine spezielle Eigenschaft dieser Motoren, denn beim Anlassen schüttelt sich das ganze Motorrad kurz, um in den stabilen Lauf zu verfallen. Ja, es sind eben zwei riesige Zylinder, die da gegenläufig in Schwung kommen. Wer will, kann dieses Rucken während der Fahrt erleben, wie sich später zeigen wird. Zuvor hat man die BMW besessen, was wegen der geringen Sitzhöhe keinerlei Problem darstellt. Gefühlt sitzt man weiter hinten als es Realität ist, denn das Motorrad scheint sich nach dem Aufsitzen langezogen zu haben.

Der Radstand liegt bei ellenlangen 1,73 Metern. Damit ist klar: So richtig klasse kann das mit der Rangiererei nicht sein, da schiebt die Physik einen Riegel vor. Überraschung beim Anfahren: Es geht natürlich druckvoll voran, vor allem aber erstaunlich leichtfüßig. Wo sind sie denn hin, die ganzen Kilos? Gemach, gemach: Diese sind alle da, aber auch hier ist die Physik hilfreich: Durch den niedrigen Schwerpunkt wirkt die BMW viel leichter als sie ist. Das ändert sich schlagartig, wenn man den Schwerpunkt aus Versehen manuell tiefer legt. Das dann umgekippte Bike wieder aufzurichten gelingt Bodybuildern mit einem großen Freundeskreis am besten.

Die ungewohnte Leichtigkeit des Fahrens verliert sich bei höheren Geschwindigkeiten nicht. Natürlich gibt es Grenzen, die sind bei rund 30 Grad Schräglage erreicht (zuerst setzen die Fußrasten auf, nicht der voluminöse Auspufftopf). Aber hey: Dies ist ein Cruiser. Wer eine Kurvenpfeile sucht, ist hier falsch.

Überraschend gut ist die Sitzposition, besser: die Lage der Füße. Seien wir ehrlich: Das ständige Auf- und Absetzen sehr weit vorne positionierter Füße ist vor allem im Stadtverkehr nervig und selten wirklich bequem.

Ein Cruiser wird eher selten gehetzt. Das vorausgeschickt ist es trotzdem so, dass die Bremsen besser sein könnten. Dabei steht nicht die reine Bremsleistung in der Kritik, sondern das indifferente Gefühl bei der Handbremse, kombiniert mit einer vergleichsweise hohen Kraft, die für die Bedienung notwendig ist.

Und jetzt endlich: der Motor. Jaja, PS wird er auch irgendwelche haben. Ist aber völlig überflüssig. Die R18 lebt von ihrem Drehmoment. Zwischen 2.000 und 4.000 Umdrehungen, also da, wo man sich als Cruiser bevorzugt aufhalten möchte, sind es immer über 150 Newtonmeter (maximal 158 bei 3.000 Touren). In der Praxis bollertbobbertcruist man dermaßen entspannt durch die Gegend, dass die R18 fast als rezeptpflichtige Droge durchgehen kann. Fragt einfach bei eurer Krankenkasse nach.

Cruiser im BMW-Style

Jetzt steht die BMW R18 endlich beim Händler zur Probefahrt, und das ist gut so. Trotzdem die Hüter des heiligen Grals die BMW im Vorfeld schmähten und als Produzenten dieser Bikes nur Indian oder Harley oder sonstwen, aber bestimmt nicht die Bayern, infrage kommen ließen, ist sie sehr gut geworden. Achtung: sehr gut, nicht großartig. Sie steckt voller liebevoller Details, begeistert mit Verarbeitung und dem ganzen Konzept – kann aber nichts, was die anderen nicht auch könnten.

Insofern: Herzlich Willkommen im Markt der Cruiser, BMW R18. Ab jetzt musst du nicht mit Marketing, sondern auf der Straße überzeugen. Die Anlagen dafür hast du alle, aber Harley oder Indian können gelassen bleiben.

Das Testbike wurde uns von Bergmann & Söhne in Pinneberg zur Verfügung gestellt.

Preis / Farben / Baujahre

  • Preis: ab 22.250€
  • Baujahre: ab 2020
  • Farben: First Edition nur in glanzschwarz
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