Fotos: Motorradtest.de
Die Indian Pursuit Dark Horse ist ein sogenannter "Full-Dresser", also eine Touring-Maschine mit voluminöser Frontverkleidung, integrierten Koffern und einem abnehmbaren TopCase, der zugleich als Sessel bzw. Rückenlehne für den Beifahrer dient. Volker und Dietmar haben die Pursuit zu einer Ausfahrt ausgeführt und schildern hier ihre (massiven) Eindrücke.
Ein Tanker wird kommen.
Obwohl wir schon viele Motorräder gefahren sind, gibt es immer mal wieder Maschinen, vor deren Test wir Respekt haben. Die Indian Pursuit ist so ein Bike. Alleine schon die puren Abmessungen lassen einem mit offenem Mund vor der Fuhre stehend staunen: 416 kg Kampfgewicht, 2,16 m Länge und ein Radstand von knapp eins-siebzich. Wahnsinn!
Dazu die ausladende Frontverkleidung mit integrierten Lautsprechern, die massiven Trittbretter und das ganze TopCase & Soziussitz-Geraffel hinten samt hoch stehender Antenne machen jedem anderen Verkehrsteilnehmer klar: Ich bremse nicht - jedenfalls nicht extra Deinetwegen! Die Indian Pursuit kostet 35.790 Euro (uff!) und ist in drei Farben erhältlich.
Farben: Schwarz, Grau und Blau.
Abmessungen und Sitzprobe
"Sitzprobe" ist hier eigentlich das falsche Wort, "Schnarch-Test" wäre angebrachter. Die ganze Angelegenheit ist tatsächlich Vergnügungssteuerpflichtig. Man sitzt derartig bequem auf der Pursuit, dass man eigentlich gar nicht mehr absteigen möchte. Das gilt ganz besonders für den Beifahrer, der vermutlich schon nach kurzer Zeit einnickt und auch noch nach der Fahrt den Rest des Tages in seinem Sozius-Sessel verbringen möchte.
Auch der Beifahrer lässt seine Schuhe auf Trittbrettern nieder und lehnt auf Leder gebettet hinten wie in einem Schlafsaal. Mehr geht nicht. Allerdings ist die Fuhre derartig schwer, dass das Rangieren schnell zur Qual wird - vor allem dann, wenn man das Ding unglücklich abgestellt hat. Einen Rückwärtsgang gibt es leider nicht, der wäre hier wirklich wünschenswert.
So sitzt es sich auf der Indian Pursuit. Man reiche uns Kaffee und Gebäck und dann Ruhe, bitte.
360 Grad Rundgang um die Indian Pursuit
Technik der Indian Pursuit
Leute, jetzt wird es anstrengend. Die Pursuit ist nicht nur optisch ein Full-Dresser, sondern auch technisch. Hier ist alles an Bord und die 250 Seiten dicke Bedienungsanleitung macht seinem Besitzer schnell klar, dass man sich ein wenig mit den Features auseinandersetzen sollte, bevor es losgeht.
An Bord ist ein 7 Zoll großes TFT-Farbdisplay mit Touch-Funktion, dazu zwei analoge Instrumente für Tempo und Drehzahl, zusätzlich dann noch zwei LC-Displays, die stets Gang und Restreichweite etc. anzeigen. Es gibt eine integrierte Navigation, Smartphone-Connectivity, eine IMU zur Schräglagensensorik, mehrfach einstellbare Traktionskontrolle, Kurven-ABS, drei Fahrmodi, Tempomat, Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer (separat per Taster einstellbar), Heizgriffe, ein elektrisch verstellbares Windschild, Apple Carplay und eine 200 Watt Audioanlage...
Witzig sind auch die vier manuellen Belüftungsöffnungen vorne, die einem die Beine bei Hitze mit kühlendem Fahrtwind versorgen. Das Licht kommt komplett in LED inkl. der Blinker und natürlich hat die Pursuit auch extra LED-Nebelleuchten, die per Extra-Taster oder über den Touchscreen einstellbar sind. Die Bedienung geht in Ordnung, man kann so ziemlich alles über den Touchscreen einstellen, für viele Funktionen wie z.B. den Tempomaten gibt es aber auch zahlreiche Schalter, damit man während der Fahrt nicht immer (mit Handschuhen!) auf dem Display rumtippen muss. Alles gut gemacht, benötigt aber tatsächlich ein wenig Eingewöhnungszeit. Wen wunderts, bei so vielen Features...
Das ist doch mal ein Motor: V2 mit 122 PS und 178 Nm Drehmoment - bei 3.800 Umin!
So fährt sie sich
Bevor wir losrollern, machen wir erst einmal den Soundcheck. Schon im Stand klingt die Indian Pursuit standesgemäß - und zwar auch mit dem Serien-Endschalldämpfer. Während der Fahrt ist die Pursuit ebenfalls deutlich vernehmbar. Wer Gas gibt, bekommt eine entsprechende akustische Untermalung geboten. Der V2 bollert bassig und charaktervoll, das klingt wirklich monumental. Den Soundcheck gibt es oben, viel Spaß.
Auf den ersten Metern muss ich spontan an eine Fahrt auf einer Indian Challenger denken, bei der mir der damalige Indian-Händler folgendes mit auf dem Weg gab: "Fahr die mal, Du wirst sehen, die is' total wenig und leichtgängig". Pustekuchen Leute, die Challenger fuhr sich weder wendig noch leichtgängig - und das ist bei der Pursuit genauso. Vermutlich meinte der Händler damals folgendes: "Sie fährt sich leichter, als Du denkst!" Das kommt dann schon eher hin, denn natürlich kann man sich schon denken, dass sich solche Bikes anders fahren als eine Naked mit 170 kg.
Nirgendwo sitzt man Beifahrer lieber als auf einer Indian Pursuit.
Und in der Tat: Die Pursuit fährt sich toll, sie ist aber dennoch schwer und daher natürlich nichts für Anfänger. Trotzdem fühlten wir uns schon nach wenigen Metern sehr wohl und haben jeden Meter genossen. Was für ein majestätisches Gefühl, mit der Pursuit über Landstraßen zu kacheln! Der Komfort ist überragend. Schlaglöcher und ähnliches kann man weder sehen noch spüren. Wie ein fliegender Teppich schwebt man geradezu über den Asphalt. Und das geht eben nur mit einem solchen Tanker, weil: Gewicht + Größe + Masse = Geil-o-mat. Zumindest, was den Komfort angeht.
Und dann diese Leistung! Der V2 schiebt schon ab 2.000 Umdrehungen derartig nach vorne, dass einem der Mund trocken wird. Obenrum wirds dann weniger, aber wer bitte fährt solch einen Motor bitte mit hohen Drehzahlen?? Da genieße ich doch lieber das Drehmoment von 178 Nm und schalte früh. Auch wenn die Leistung mit 122 PS bei 5.500 Umin für solch einen Motor recht hoch ist: Das braucht man eigentlich gar nicht. Jedenfalls fühlt sich das alles sehr souverän an und bringt echt Laune. Aber Achtung: Man fährt je nach Eigengewicht ca. 500 Kilogramm in der Gegend herum. Ein alter Fiat 500 ist auch nicht viel schwerer - also Achtung vor der wilden Kurvenhatz, dafür ist die Pursuit nicht gemacht, zumal die Schräglagenfreiheit das auch gar nicht zulässt.
Das geht besser: Den Brembo-Bremsen vorne fehlt es an Biss.
Damit sind wir dann auch schon bei den Bremsen, die unserer Meinung nach leider nicht ganz zum sonst beeindruckenden Auftritt der Pursuit passen: Sie bremsen weder besonders stark, noch lassen sie sich gut dosieren. Für eine starke Verzögerung muss man schon kräftig in den Bremshebel reinsemmeln, obwohl wir hier eine gute Brembo 4-Kolbenzange an einer 320er Doppelscheibe haben. Vermutlich ist das reine Physik und das Gewicht hinterlässt hier eben auch seine Spuren. Die Bremse hinten fanden wir dagegen überraschend gut, vor allem das "Bremspedal" ermöglicht kräftiges reinlangen, wenn es denn mal nötig ist.
Richtig cool sind auch die Verstaumöglichkeiten bei den Koffern und beim TopCase. Insgesamt stehen 133 Liter Stauraum zur Verfügung. Auch von Innen zeigt sich: Hier wurde nichts auf die Schnelle zusammengeklöppelt, alles wirkt gut verarbeitet und mit Liebe gemacht. Das gilt im Übrigen für das gesamte Motorrad, was uns bei dem Preis allerdings auch nicht weiter wundert. Wer will, kann der Maschine übrigens 16 Lautsprecher (!) gönnen. Wie bei einer Indian Elite sind einige Speaker dann auch in die Koffer integriert, was den Beifahrer freuen dürfte.
Es gäbe noch viel zu erzählen zur Indian Pursuit, aber eine Probefahrt kann dieser Testbericht sowieso nicht ersetzen. Wer sich ernsthaft für solche Full-Dresser interessiert, den können wir nur dazu raten! Es ist einfach eine herrliche Erfahrung, vor allem natürlich auch auf der Autobahn, auf der das Schiff übrigens bei 175 km/h abgeriegelt wird. Der Windschutz ist auch dort dank des elektrisch verstellbaren Windschilds hervorragend.