Test: Yamaha MT-10

Das schwarze Schaf der Familie

image Fotos: Motorradtest.de

Die MT-Serie aus 03, 07 und 09 ist ein echter Verkaufsrenner. In der jeweiligen Preis-Leistungsklasse gibt es wenig Gründe, diese Bikes nicht zu kaufen. Doch da gibt es noch die MT-10 – repräsentieren die anderen MT-Bikes die wohlerzogenen Töchter aus gutem Hause, muss die MT-10 aus einem Seitensprung entstanden sein. Wie schön.

Transformers-Look

Steht schon mal knackig da. Die MT-10 macht selbstbewusst auf dicke Hose, massig und bullig gibt sie das böse Naked Bike. Die Frontmaske im Transformer-Style trägt ihren Teil dazu bei. Yamaha bezeichnet die MT-10 als „die dunkle Seite der Macht“ und tatsächlich wirkt das Design im Vergleich zu den schwächeren Schwestern extremer. Doch das ist es noch nicht, denn die MT-10 soll nicht nur ein Naked-, sondern ein Hyper-Naked-Bike sein. Was zuerst wie Marketing-Sprech aus der Dose anmutet, hat einen realen Hintergrund. Obwohl umfangreich überarbeitet, stammt die Basis der MT-10 aus der R1 – und damit einem Superbike. Nur ohne Verkleidung. Oha.

Was noch auffällt ist die extrem knappe Bauweise. Das führt erstens zu einem eher nicht vorhandenem Soziusbetrieb dank kürzest-kurzer Sitzbank, vor allem aber zu einem sehr knappen Radstand von 1,40 Metern. Zusammen mit dem Lenkkopfwinkel von nur 24 Grad verspricht dieses Layout Handlichkeit ohne Ende. Ein schneller Blick ins Datenblatt: 210 Kilo, 160 PS. Und damit ist klar, dass es heute ein toller Testtag trotz abenteuerlichem Wetter wird.

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160 PS bleiben übrig

Das Display ist ausreichend groß und weder an der Bedienlogik noch an der Ablesbarkeit gibt es etwas auszusetzen. Die Yamaha MT-10 gehört nicht zu den Bikes, zu deren Einstellung ein Informatikstudium ratsam wäre. Jeweils drei Traktions- wie Fahrmodi sind anwählbar, damit das Ganze fahrbar bleibt. Das war es im Großen und Ganzen mit den Einstellmöglichkeiten, wenn man von Alltäglichem wie dem Rückstellen des Tageskilometerzählers absieht. Diese scheinbare Rückständigkeit macht das Leben einfacher, allerdings stört die altbackene Optik der Grafik etwas.

Noch kurz ein Wort zum Motor, der der Quell der ganzen Freude sein soll. Er stammt wie erwähnt aus dem Superbike R1 mit 200 PS. Yamaha geht nicht zu Unrecht davon aus, dass Superbike-Käufer mit dessen Nachteilen leben können, diese Toleranz bezüglich der Fahrbarkeit im Naked-Bereich jedoch eher überschaubar ist. Deshalb überarbeiteten sie 40 Prozent des Motors zugunsten eines alltagstauglicheren Drehmomentverlaufs. Der versammelt seine identischen 111 Newtonmeter nun bei 9.000 Umdrehungen und damit im Vergleich 2.500 Umdrehungen früher. Bei der Operation gingen 40 PS verloren - ob das ein Nachteil ist, werden wir gleich mal prüfen.

Also los.

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Hyperaktives Bike

Jaja, das haben die Yamahistas richtig schön hinbekommen. Der Vierzylinder läuft ein wenig rauh, alles andere wäre diesem Bike auch unangemessen. Der satte Sound stammt natürlich nicht nur aus dem einen Liter Hubraum, sondern dem Sportauspuff. Das macht Lust auf mehr und gerade sehen wir außer den gruseligen Straßenverhältnissen keinen Grund, jetzt keinen Spaß zu haben.

Beim Losfahren ist die Yamaha ein japanisches Bike durch und durch. Will sagen: Die MT-10 ist unproblematisch und gibt sich alle Mühe, unserem Spaß nicht durch Macken im Weg zu stehen. Im weiteren Verlauf unserer Testfahrten werden wir feststellen, dass die MT-10 das ideale Nicht zu-Bike ist. Hm? Sie ist nicht zu hart gefedert, der Motor ist nicht zu rauh, die Sitzposition ist nicht zu extrem, und sie neigt insgesamt nicht zu Überraschungen.

Was ist sie dann? Sie ist die Mutter aller Kurvenräuber. Das Beste daran ist die Art und Weise, wie sie den Piloten zum Kurvenkratzen animiert, denn sie flößt viel Vertrauen ein. Yamaha ist das Kunststück gelungen, die Vorzüge des ultrakurzen Radstandes zu erhalten, ohne die Stabilität in schnellen Kurven oder auf der Autobahn einzubüßen. Die MT-10 geht dabei immer wie die sprichwörtliche Sau. Schon unten herum lässt sie nichts anbrennen, das Drehmoment schiebt ab 4.000 kräftig an, und wenn der Drehzahlmesser die 6.000er-Marke hinter sich lässt ist man eins mit der heiligen Madonna der Beschleunigung.

Dank der ungewöhnlichen Zündfolge hört sich der Motor immer angemessen unangemessen an, ohne ins Prollige zu verfallen. Allein das ist schon Grund genug, immer wieder engagiert am Hahn zu drehen.

Doch ein wenig Vorsicht ist geboten. Auf die Kurve zuhalten und hart anzubremsen ist okay, da es praktisch kein Aufstellmoment gibt. Sie legt sich dank ihrer nur 210 Kilo zackig in Kurvige hinein, Bodenwellen können sie nicht von einer sauberen Spur abbringen. Auch okay ist es, am Kurvenausgang Vollgas zu geben – doch bitte nicht zu früh: Über die Schräglagensensorik der R1 verfügt die MT-10 nicht. Ob die Kurve wirklich zu Ende ist, muss der Fahrer entscheiden, sonst könnte er trotz Traktionskontrolle bald am Ende seiner Straße dastehen (oder liegen).

Reines Spaßgerät

Was ist sie dann?, fragten wir oben. Was ist sie nicht, kommt hier: ein Tourer. Tatsächlich gibt es eine Version mit Scheibe und Koffern, doch das sieht aus, als ob der zuständige Designer gerade Urlaub hatte. Die Zuladung ist mit 170 Kilo sowieso dürftig. Andererseits ist das egal, weil der Soziusbetrieb auf Langstrecken eine Tortur ist.

Unter uns gesagt, die Yamaha MT-10 ist im Vergleich zu ihren Schwestern MT-07 und MT-09 kein Verkaufserfolg. Wieso? Am Preis kann es nicht liegen, denn der ist im Vergleich mit 13.999 für ein Bike dieser Leistungsklasse nicht zu hoch.

Das Design mag sicher nicht jeder, doch wahrscheinlich liegt der Grund woanders: Wer eine Yamaha kauft, erwartet doch eher die wohlerzogene Tochter aus gutem Haus. Wir, die Liga der erleuchteten Gentlemen von Motorradtest.de, hatten mit der MT-10 jedoch bärigen Spaß. Mal ganz was Unvernünftiges!

Das Testbike wurde uns von Motorrad Ruser in Haseldorf zur Verfügung gestellt.

Preis / Verfügbarkeit / Farben

  • Preis: 13.999€
  • Gebraucht (3 Jahre alt): 9.000€
  • Verfügbarkeit: gut
  • Farben: blau-silber
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