Test: Ducati Scrambler 1100
Eine wie keine
Erstkontakt mit der Ducati Scrambler 1100
Seit 2014 baut Ducati eine neue Scrambler in Anlehnung an die früheren Modelle ab 1962. Eine Menge Historie also, auf Ducati da zurückgreifen kann - und muss. Überhaupt ist Ducati neben Triumph die einzige Marke, die gefühlt aus der Tradition heraus eine Scrambler glaubhaft produzieren könnte. Das ist objektiv natürlich falsch, denn in den 50er- und 60er-Jahren boten neben anderen auch alle japanischen Hersteller eigene Scrambler an. Und dennoch: Das Bauchgefühl nimmt vor allem den Italienern und Briten diese Bauart ab.Eine Scrambler ist praktisch der Vorfahre einer Enduro. Als es diese noch nicht im Massenmarkt gab, wurden erst von findigen Bastlern "Kletterer" (aus dem Englischen: "Scrambler") zusammengesteckt, später professionalisierte sich der Markt. Um im Gelände bestehen zu können, unterschieden sich die neuen Mopeds durch hochgelegte Auspuff-Endrohre, größere Schutzbleche, grobstolligere Reifen und einen breiteren Lenker von den Straßenmaschinen. Das war es dann aber: eigene Rahmen für den ernsthaften Einsatz abseits der Straße wie sie heutige Enduros verwenden, standen damals nicht zur Wahl. Auch Höherlegungen waren selten.
Das alles hat die moderne Scrambler der Ducati. Startete sie 2014 mit 800 Kubik und 75 PS, legte Ducati mit der 86 PS-starken 1100er nach. Trotzdem: Zuerst müssen wir mal kurz klären, ob die Scambler überhaupt eine Ducati ist. Das scheint zuerst klar: Der Motor der 1100er wurde zuletzt in der Ducati Monster verwendet, stammt also aus dem Mutterhaus. Auch die gesamte Konstruktion der Scambler stammt von Ducati, warum also eine Submarke? Eine Submarke nutzt man immer dann, wenn man eine bestimmte Eigenschaft des Produkts nach vorne stellen möchte. Gleichzeitig kann man sich mehr erlauben, denn die eigentlich mit der Marke verbundenen Eigenschaften können weit gedehnt werden.
Dann wollen wir das Scrambler-Universum mal checken. "Style, Sophistication and Performance" - also : Stil, Raffinesse und Leistung, damit definiert sich Ducati nach eigenen Worten. Auch die Scambler?
Erstens: Stil
Wow. Die Scrambler steht satt da. Es gibt sie in verschiedenen Farbvarianten und Ausstattungsversionen, aber eines muss man Ducati lassen: Sie ist eine Scrambler durch und durch und das in jeder Version. Zudem: Alles, was man anfasst ist wertig. Beispielsweise verkniff sich Ducati die Alublenden am Tank bei der von uns gefahrenen Maschine aus billigem Kunststoff zu fertigen, es ist wirklich Alu. Auch kleine Details wie die Rückspiegel oder das Cockpit sind passig. Der Scheinwerfer sowie das Rücklicht sehen einfach klasse aus. Zum nicht sonderlich gut ablesbarem Cockpit noch ein Wort: Man mag darüber streiten, ob analoge Instrumente der Scambler besser gestanden hätten. Wenn aber digitale Instrumente, dann so: Ein Rundinstrument mit einem ovalen Einsatz, das sieht schon gut aus. Und: Es sieht besser aus als bei manch anderen Modellen der Italiener. Sollte sie also in dieser Hinsicht keine Ducati sein, wäre das nur von Vorteil.
Zweitens: Raffinesse
Eine normale Duc überzeugt mit raffinierten Lösungen, die alle einem Ziel dienen: Ducatis wollen die jeweils sportlichste Maschinen in ihrem Segment sein. Scrambler sind aber per se nicht sonderlich sportlich, sondern sollen gut und geländetauglich aussehen. Raffinesse ist hier gar nicht nötig, sondern ein druckvoller Motor, eine vernünftige Sitzposition und ein angemessenes, nicht zu hartes Fahrwerk. Insofern - so viel sei vorausgeschickt - klafft hier die größte Lücke zwischen einer herkömmlichen Ducati und der Scrambler. Die Scrambler 1100 betont ganz andere Seiten als der Rest der Modellpalette. Das macht sie gut, aber eben auch anders. Ist es also eine Ducati in Sachen Raffinesse? Ja, aber gleichzeitig ist bei diesem Punkt wegen der andersartigen Definition von Raffinesse die Verwendung einer Submarke am sinnvollsten.Drittens: Pferformance
Eine Ducati ohne Performance? U-n-d-e-n-k-b-a-r! Hier muss die Scambler liefern, sonst droht der gemeine Kunde mit Liebesentzug. Und liefern tut die Scrambler, wenn auch auf ihre Art. Schon die Sitzposition auf und nicht im Motorrad deutet es an: Die Scrambler 1100 ist nicht für die wilde Kurvenhatz gedacht. Ebenfalls steht die Mischbereifung solcherlei Ambitionen entgegen. Was also liefert die Duc ab?Erst mal ein Fest für die Sinne. Neben der schon erwähnten Optik ein mittelkomfortables Fahrwerk für die Tour zwischendurch, aber vor allem das, was für den Druck sorgt: einen phantastischen Motor. Der luftgekühlte L-Twin wurde zuletzt in der Monster verwendet und ist nicht der modernste Treibsatz in der Duc-Motorenpalette. Aber der passendste. Es ist unglaublich, wie viel Druck der Motor aus niedrigeren Drehzahlen entfaltet. Vor allem ist der Sound unvergleichlich. Man ertappt sich des Öfteren beim Beschleunigen, nur um diesen brabbelnden Motorsound zu hören. So bollert man durch die Gegend und röhrt einfach zum Vergnügen herum. Oben heraus, das muss angemerkt werden, passiert für einen Ducati-Motor erstaunlich wenig. Oben heraus, das muss angemerkt werden, passiert jedoch für einen Scrambler-Motor erstaunlich viel.
Ursprünglich für leichtes Gelände gedacht ist eines klar: Drehmoment schlägt bei einer Scrambler Spitzenleistung, daher ist der Motor genau richtig.
Mit dem eher langen Radstand und dem Nachlauf ist die Scrambler eher auf Stabilität denn auf Handlichkeit ausgelegt. Aber dank des breiten Lenkers muss nur ein wenig mehr Kraft aufgewendet werden und die Scrambler dreht bei, ohne sich abzulegen.
Fazit
Die Ducati Scrambler hat in der Modellpalette der Italiener eine Sonderstellung: Sie beruhigt den Fahrer. Gleichzeitig liefert sie eine ganz andere Art der Genusstouren, die eher auf Cruisen abzielt. Dafür verzichtet sie auf hohen Nutzwert (und übrigens auch auf eine höhere Geländetauglichkeit). Zwischenspurts auf Landstraßen und in der Stadt sind ihre Reviere, mit bollerndem Sound geht es voran. Wer Spaß haben, wer endlich den Sinn von V2-Motoren erkennen will und derjenige mit dem Sinn für Emotionen kann sich über die Scrambler freuen. Eine Ducati? Ja, aber sie ist für die einen das schwarze Schaf in der Familie, für die anderen die einzige Ducati, die sie sich kaufen möchten. Kunststück: Viel Konkurrenz hat sie nicht, es gibt hauptsächlich die BMW R nineT Scrambler und diverse Triumph-Modelle auf dem Markt.Letzte Anmerkung: Die 1100er steht mit 12.990 Euro in der Preisliste, während es die kleine Schwester mit 75 PS ab knapp 8.000 gibt. Ein happiger Aufpreis für 11 Mehr-PS - aber wer das kann, sollte es sich gönnen.
Das Testmotorrad wurde uns freundlicher Weise von Ducati Hamburg zur Verfügung gestellt.
Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre
- Preis: 12.990 Euro
- Baujahre: seit 2018
- Farben: gelb, schwarz, grau