Test: BMW S 1000 XR

Die böse Schwester der GS

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Da hat BMW doch was ins Programm geschummelt? Auf ihrer Webseite mischen die Bayern in der Rubrik „Adventure“ flott die traditionellen GS-Modelle mit den Funbikes, was so ungefähr Reise-Enduros sein sollen. Aber was ist das? Mittendrin statt nur dabei findet sich dort die BMW S 1000 XR – und damit ein Bike, was so gar nicht zu den anderen passen will, wie der Test zeigen wird.

Ein Racer im Adventure-Kleid

Zuerst wirkt alles ganz normal, und selbst das BMW-Marketing säuselt wie immer: „Sport, Adventure oder Touring? Du kannst alles haben. Denn die BMW S 1000 XR vereint das Beste aus diesen drei Welten …“ was der Journalist sofort als übliche Beschreibung eines jeden Adventure-Bikes abtut. Doch tatsächlich lassen ein paar Daten stutzen: Die S 1000 XR ist mit 228 Kilo zwar nicht wirklich leicht, aber ein ganzes Stück leichter als die riesigen GS-Modelle. Und sie hat mehr Leistung an der Kette (nicht Kardan), denn der Vierzylinder drückt mit 165 PS voran.

Langsam wird klar, was hier vor einem steht: BMW sortiert die Funduros als eher geländetaugliche Reisemotorräder ein (was nicht stimmt) und die GS als besonders tourentaugliche Bikes (was stimmt). Die XR fällt da aus dem Rahmen, denn der Vierzylinder leistet normaler Weise seinen Dienst in der  S 1000 RR, einem veritablen Sportmotorrad.

Damit steigt die BMW S 1000 XR in den Ring zu den bösen Buben der Motorradwelt. Tretet beiseite, Tourer dieser Welt, Auftritt eines erbitterten Gegners von Ducati Multistrada und KTM SuperDuke GT. Das ist mal eine Ansage, genau wie der Preis: Offiziell steht sie mit ab 15.500 Euro in der Preisliste, aber das ist wie immer ein Witz, den sie wahrscheinlich nur in Bayern lustig finden. Vernünftig ausgestattet wie unser Testbike stehen rechts unten auf der Rechnung satte 19.000 Euro.

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Groß ist sie, sehr groß

Aber jetzt mal einen Blick auf das ganze Bike. Das heißt einen Schritt zurück zu treten, denn wie die GS oder die F ist die X nicht knapp geschnitten – hier steht eine ganze Menge Motorrad. Auch wenn sie ein Sportler ist, darf sie eine ganze Menge zuladen: 444 Kilo beträgt das zulässige Gesamtgewicht inklusive Fahrer, Beifahrer, 20 Liter Sprit und mehrerer Kisten Bier – Platz für alle ist genug da.

Vor allem den Beifahrer umsorgt die BMW ganz fürstlich, denn neben den schon erwähnten Platzverhältnissen auf der bequemen Sitzbank sind die Fußrasten sehr kommod angeschraubt. Von hinten keine Klagen.

Von vorne ebenfalls nicht: Trotz ihrer schieren Masse und Höhe ist die Sitzhöhe von 840 Millimetern für nicht ganz so große Menschen machbar. Wem das nicht reicht, der darf einen Blick ins Zubehörprogramm werfen und findet dort Sitzbänke mit 790 oder 855 Millimetern Sitzhöhe.

Insgesamt wie immer: BMW baut sauber durchdachte Motorräder. Auch auf der Straße? Dann mal los.

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Passt das zusammen?

Schlüssel drehen, Startknopf drücken, 1. Gang einlegen und … nix. Vor allem wenn sie kalt ist, missfällt das Getriebe mit einer bei BMW ungewohnten Hakeligkeit. Auch warm ist das ein Befund, der nie ganz weg ist. Nerviger noch: Das Finden des Leerlaufes gerät oft zur Geduldsprobe. Das muss wirklich nicht sein, ebenso wie der vergleichsweise schwergängige und nicht einstellbare Kupplungshebel.

Adventure-typisch ist die Sitzposition. Sehr aufrecht und mit dem breiten Lenker – also ein Adventure-Bike durch und durch? Um mal den Tester Markus zu zitieren: „Ich finde sie schon ziemlich sportlich. Kann meiner Meinung nach so wie sie ist auf jeder Rennstrecke mithalten.“ Das war’s dann mit dem reinrassigen Adventure-Bike, BMW hat hier einen ziemlich tourentauglichen Racer auf die Räder gestellt. Dazu passend der Motor: Der drückt dank seiner riesigen Leistung brutal nach vorne und schreit dir auf dem Weg zum Gipfel jedes seiner 165 PS einzeln in die Ohren.

Für ein Adventure-Bike, das ja mindestens auf Schotter nicht loosen soll, ist diese Auslegung nicht ideal. Tatsächlich ist der Vierzylinder bei niedrigen Drehzahlen nicht in seinem Element. Was aber in der Praxis egal ist, denn er zieht auch da durch, nur die Brutalität fehlt ihm. Kleines Ärgernis: Tatsächlich zeigt der Motor bei rund 4.000 Touren ein leichtes, aber deutlich zu spürendes Konstantfahrruckeln.

Tourentauglich dagegen sind die langen Federwege, was sich beladen nicht ändert. Vielleicht kann man die BMW S 1000 XR am besten gegen die GS beschreiben: Diese ist gepflegt und in ihrer neusten Ausführung ein ebenso dezentes wie unheimlich schnelles Bike. So gepflegt, dass die Geschwindigkeit immer unterschätzt wird. Die S 1000 XR dagegen ist das schwarze Schaf der Familie: Rauh, laut und ständig auf Rabatz gebürstet. Schnell ja, aber eben von dieser Schnelligkeit, die je nach Fahrer Angst oder Freude hervorruft.

Sport = Kampf

Insgesamt ist die BMW S 1000 XR eine Überraschung: Durch und durch sportlich. Wer das will, bekommt eine Empfehlung für dieses Bike, welches man von BMW so eher nicht erwartet hätte. Allerdings mit ein paar Schwächen bedacht, die wie das Getriebe im täglichen Betrieb mehr nerven, als man es den Bayern zugetraut hätte. Vor allem dann, wenn man den Preis berücksichtigt, ist das mehr als ein beiläufiges Foul.

Wer unter Sport Kampf versteht, wer gerne austeilt und dafür einstecken kann, der ist hier richtig.

Das Testbike kam von von Bergman & Söhne.

Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre

  • Preis: ab 15.500€
  • Gebraucht (4 Jahre alt): 10.000€
  • Baujahre: seit 2015
  • Verfügbarkeit: gut
  • Farben: rot, schwarz, hp motorsport (weiß mit Dekor)
Pro & Kontra
Pro:
  • Fahrleistungen
  • Komfort
  • Fahrsicherheit
  • Verarbeitung
Kontra:
  • Preispolitik
  • hakeliges Getrieben
07.2019: Test: BMW S 1000 XR
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