Test: Kawasaki Z900
Pur und unverfälscht
Neben der Retro-900er namens Z900RS hat Kawasaki auch die moderne Form im Programm, und die heißt einfach Z900. Vertrauen ist gut: Es können Motorräder einer Firma, deren Produkte im ersten Mad Max-Streifen mitgespielt haben, prinzipiell nicht schlecht sein. Besser ist aber, wir probieren das mal aus.
Einleitung
Ein bisschen böse anschauen tut sie einen ja, diese Kawasaki Z900. Aber das ist mir egal, ich mag sie trotzdem. Wahrscheinlich kommt das daher, weil wir einiges gemeinsam haben. Sieht man vielleicht nicht auf den ersten Blick, ist aber so. Zwar ist mein Knochengerüst (ohne, dass ich es je gesehen hätte) nicht in grün-metallic gehalten, aber wir beide sind in der Körpermitte nicht eben schmal, eher großzügig ausgelegt. Auch predigen wir den Verzicht. Jetzt nicht den auf körperliche Genüsse, wohl aber den auf Scheininnovationen.Dazu muss ich wohl etwas erklären. Bis auf das unverzichtbare ABS halte ich 95% aller Innovationen in der Motorradtechnik für überflüssig. Viele halten mich damit für hoffnungslos veraltet, doch ich habe Argumente. Flächige TFT-Bildschirme lenken mich nur ab. Verschiedene Fahrprogramme zeigen nur die Unfähigkeit der Ingenieure, ein sauber abgestimmtes Fahrwerk hinzustellen. Ich käme nie auf die Idee, mittels Rändelrad die Federvorspannung am Hinterrad zu verändern wie es bei meiner Maschine möglich wäre. Entweder die Werkseinstellung passt, oder eben nicht.
Und bitte: Außer es ist das erste Motorrad überhaupt, muss ich meine Dame des Herzens nicht zum Motorradkauf mitschleppen, um zu erfahren, wie sich das Moped mit Beladung verhält. Das spüre ich so. Und wer es nicht weiß: Seidenmalerei soll als Hobby ganz spannend sein.
Wo war ich? Ach ja, es folgt die vollständige Liste aller elektronischen Helferlein der Kawa 900 Z:
ABS.
Cool. Und das Cockpit erst: Ein analoger Ring für die Drehzahl ist immer zu sehen. Nach dem Anwerfen erscheint darin ein elektronisches Geflimmer, welches die aktuelle Drehzahl wiedergibt. Und einen Tacho hat's auch. Die weiteren Anzeigen sind so klein, dass es sich wohl um minderwichtige Dinge wie die Tageskilometer handelt muss. Ich habe nicht nachgeschaut, es ist mir egal. Firlefanz-unverdächtig, das Cockpit, und damit wieder ganz bei mir.
Einmal rundum
Sugomi-Stil heißt die Designlinie, wie ich recherchiert habe. Tipp für alle, die zwar eine Z 900 prinzipiell mögen, aber mit dem Design nicht warm werden: Auch ich habe länger hinschauen müssen. Je intensiver ich das tat, desto besser verstand ich das Design. Mit der Optik hätten wir übrigens alles erwähnt, was an der Kawasaki kompliziert sein sollte. Der Rest ist ganz einfach: Anmachen, draufsetzen und ab dafür. Bevor wir das tun, doch einen Schritt zurück. Einen Teil des Fazits müssen wir vorziehen, denn dieses Bike ist eines ganz bestimmt nicht: in irgendeiner Weise tourentauglich. Es gibt nicht mal Befestigungsplätze für eine Gepäckrolle, der Windschutz ist schlicht nicht vorhanden und - Sugomi sei Dank - würde jedes nachträglich angebrachte Windschild aussehen wie das, was es wäre: nachträglich angebastelt.
Der Fahrer steht voll im Wind, ein Sozius könnte sich also hinter dem Fahrer Windschutz verschaffen. Ungerecht fanden dies die Kawa-Konstrukteure, deshalb konstruierten sie den untauglichsten Sozius-Platz, den ich je gesehen habe. Fußrasten ein Witz, Sitzposition hoch (das war's dann mit dem Windschutz), und ein unbequemes Sitzbrötchen runden das Malheur auf das Ungemütlichste ab.
Jetzt aber los
Falsch gedacht: Kommt der (übrigens 948 ccm große) 900er nach dem Anlassen ruhig daher, steigt mit der Drehzahl der Sound rapide an. Vor allem das Ansauggeräusch fällt positiv ins Ohr. Gut so.
Ruckfrei dreht der Vierzylinder aus niedrigen Drehzahlen los, aber jetzt ist genug mit vernünftig: Roter Bereich ab 11.000, da wollen wir hin. Kommen wir, und zwar schnell, ohne Loch oder einen Hänger auf dem Weg dorthin. Okay, 11.000 sind jetzt nicht rekordverdächtig, aber viele Motoren machen gefühlt schon früher dicht. Nicht so bei der Kawa: Die stürmt einfach los, 125 PS glauben wir sofort.
Dazu passend das Fahrwerk, wobei Dietmar und ich anfangs das gleiche Problem hatten: Wie findet man eine passende Sitzposition? Ich mit eher kurzen Beinen saß anfangs zu weit vorn, da passte der Knieschluss nicht. Nach hinten gerückt war alles prima. Das Gegenteil bei Dietmar mit den langen Gräten: Vorn passte es besser, was man in beiden Fällen eher umgekehrt angenommen hätte.
Egal: Passt die Sitzposition, kann man sich auf das Fahrwerk freuen. Hier wieder mal der Beweis meiner These, dass dieses ganze Rumgemappe mit irgendwelchen Fahrwerkseinstellungen Käse ist: Passt das Fahrwerk vom Grund her, muss man nix verstellen. Und hier, bei der Kawasaki Z900, da passt es in jeder Lage. Schnell, oder langsam, die Mischung aus Komfort, Fahrsicherheit und Präzision ist immer klasse. Glückwunsch, Kawa!
Fazit - was bleibt hängen
Die Kawasaki Z900 ist eine Macht. Umso besser wird das Ganze, wenn man die rund 9.000 Euro (ja, die ist so günstig!) Einstandskurs in Betracht zieht. Die Kawa kann mühelos auf Landstraßen weit stärkere Maschinen ärgern, was die 9.000 noch passender macht.Allerdings: Auf der anderen Seite ist das ziemlich viel Geld für ein Motorrad, welches man nur sehr eingeschränkt nutzen kann. Die abendliche Rund um den Block, auch wenn der ein wenig größer ist? Los, ab dafür. Oder in die Stadt zum Shoppen? Macht sie mit, sofern man gerne alleine shoppt und maximal einen Rucksack voll.
Alles andere wird vom Zweitmoped geleistet ... trotzdem: Daumen hoch!
Testbike -> Danke an Heller & Soltau in St. Michaelisdonn.
Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre
- Preis: 9.095€
- Gebraucht (2 Jahre alt): 6.700€
- Baujahre: seit 2016
- Verfügbarkeit: gut, große Auswahl
- Farben: metallic-schwarz mit matt-schwarz; schwarz-metallic mit matt-weiß; grün mit mattgrau; grau-metallic mit ebony