Test Harley Davidson Low Rider FXDL
Heavy Metal
Erster Eindruck
Das Bike beeindruckt durch einen betont langen Radstand, niedrige Sitzhöhe (66 cm), viel Chrom und eine hinreißende Farbe Namens Amber Whiskey. Sehr angenehm ist jeglicher Verzicht auf Plastikgefransel, Streetfighter Ambitionen oder Totenkopf-Applikationen. Die Verarbeitung des Bikes hinsichtlich der Schweißnähte des Rahmens, sowie Kabelverlegungen nebst Steckern, bewegt sich auf dem Niveau ihrer Mitbewerber. Enttäuschend dagegen die billigen Baumarktschellen, mit denen die Auspuffkrümmer-Chromblenden befestigt sind. Das gleiche gilt für die Hupe, übelster Fernost Schrott.Sitzkomfort, Licht & Cockpit
Aufsitzen oder besser einsitzen, der Fahrer sitzt eingebettet zwischen Tank und hinterer Sitzbankerhöhung in der Maschine. Der Lenker liegt dank der verstellbaren Riser ergonomisch gut zur Hand. Dem Sozius geht es nicht so gut. Er sitzt auf einem schmalen Brötchen, muss sich wegen fehlender Haltegriffe am aufrecht sitzenden Fahrer festhalten und aufpassen, dass die Helme nicht kollidieren. Der aus optischen Gründen recht kleine Scheinwerfer spendet bei Nachtfahrt ausreichend Licht, dies trifft auch auf das Fernlicht zu. Die Low Rider verfügt über Tacho und Drehzahlmesser, das ist bei Harley nicht selbstverständlich. Beide Armaturen liegen klassisch übereinander angeordnet auf dem Tank, bei Nacht in warmes, gelbes Licht getaucht, sehr hübsch. Mit Hilfe eines Menüschalter kann man über ein Display im Tacho Infos über Kilometerstand, Tageskilometer, Restreichweite und Gangwahl abrufen. Zusätzlich verfügt das Bike über ein Keyless Go und eine Alarmanlage.
So fährt sie sich
Mit einem harten Schlag haut der Anlasser ins Räderwerk, ungewöhnlich leise mit pulsierenden Vibrationen läuft die Low Rider im Leerlauf. Zugegeben etwas enttäuschend, aus zwei eimerdicken Töpfen hatten wir mehr Sound erwartet. Abhilfe schafft in unserem Fall eine Kesstech Auspuffanlage mit Klappensteuerung, ein größerer Luftfilter und ein Zusatzsteuergerät von Screamin‘ Eagle. Ein kurzer Druck auf den Knopf am Lenker und schon öffnet die Klappe mit dem Geräusch einer repetierenden Winchester. Wow, tiefbassiges Wummern, nicht zu aufdringlich, entweicht der tip top verarbeiteten Anlage. So präpariert stehen ca. 85 PS und ein Drehmoment von 130 Nm an. Das mag sich nicht so aufregend anhören, aber 100 Nm ziehen schon bei erhöhter Leerlaufdrehzahl am Riemen. Das Fahrerlebnis ist entsprechend. Mit einem lauten Klonk rastet der erste Gang ein und es bedarf nur wenig Gas um zügig zu beschleunigen. Auffällig die satte Straßenlage, bedingt durch den niedrigen Schwerpunkt und das große 19 zöllige Vorderrad.Das Sechsganggetriebe lässt sich im warmen Zustand geräuschlos hochschalten, beim runterschalten hilft wohldosiertes Zwischengas. Der sechste Gang ist als Overdrive ausgelegt, er ist wohl eher den Geräuschvorschriften geschuldet. Der am häufigsten genutzte Drehzahlbereich liegt zwischen 1.800 und 3.500 U/min, sie dreht allerdings auch ohne Probleme bis 5.500 Touren, wo der Begrenzer dem Spaß ein Ende setzt. Besonderes Vergnügen bereitet es, in der Mitte von langgezogenen Landstraßenkurven den Hahn zu spannen. Damit ist eigentlich klar, das enge Radien oder Haarnadelkurven nicht das bevorzugte Revier der Low Rider sind. Wir werden dieses aber im nächsten Jahr bei einer Alpentour prüfen und darüber berichten. Die von uns ermittelte Höchstgeschwindigkeit liegt bei 192 km/h, ist aber eher akademischer Natur. Bei dem Tempo zerrt der Orkan am ganzen Körper, drückt den Fahrer langsam vom Bike. Derart gebeutelt, lässt man es bei ca. 100 km/h gut sein. Die Bremsen sind für Harley Verhältnisse dank Doppelscheibe im Vorderrad sehr gut. Wir sprechen hier nicht von einer Ein- oder Zweifingerbremse, es heißt ja auch Handbremse. Der Bremsweg ist akzeptabel, dank relativ hohem Gewicht auf der Hinterachse, trägt die hintere Scheibe maßgeblich dazu bei.
Fazit - was bleibt hängen
Harley Davidson Motorräder polarisieren, das ist bei der Low Rider nicht anders. Sie ist trotz des Gewichts von 320 kg leicht zu fahren, lässt sich aber umso schwerer rangieren. Sie ist leicht zu warten, wichtige Servicearbeiten wie Öl und Filterwechsel lassen sich in der Garage erledigen. Zündkerzen und Luftfilter sind vorbildlich zu erreichen, dank Hydrostößel entfällt das aufwendige Einstellen der Ventile. Der Sekundärantrieb mittels Riemen ist leise, fettfrei und praktisch wartungsfrei. Die Low Rider fährt Mann/ Frau am liebsten solo, schon die Unterbringung von kleinem Gepäck erfordert den Gang zum Zubehörmarkt. Der hohe Anschaffungspreis erschreckt, relativiert sich aber durch den hohen Wiederverkaufspreis. Für uns ist die Low Rider eine positive Überraschung. Sie ist halt sehr speziell, keine eierlegende Wollmilchsau, und genau das macht sie so sexy.Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre
- Preis: 17.000€
- Gebraucht (3 Jahre alt): 14.000€
- Baujahre: seit 1970
- Farben: Vivid Black, Velocity Red Sunglow, Billet Silver, Bonneville Blue