Test: Yamaha Tracer 900 GT
Adventure ohne Abenteuer
Die erste Runde
Schick gemacht. Wirklich. Auch Yamaha kann sich dem Trend zu den Metallic-Mattlacken nicht entziehen, deshalb gibt es die Tracer 900 GT neben schwarz und grau in eben diesem blau. Zusammen mit den weiteren Features des 2019er-Facelifts - schmaleres Design bei Seitenverkleidung, Tankflanken, Handprotektoren sowie dem neuen Windschild - sieht das ganze Bike schon im Stand sportlich aus. Könnte diese Fokussierung ein Problem sein, denn als Adventure-Bike soll die Tracer ja alles können?Abenteuerlich, wirklich?
Vor dem ersten Heulen des Dreizylinders schnell das Pflichtprogramm abhaken. Sitzhöhe 850 bis 865 Millimeter (ohne Werkzeug verstellbar), passt auch für etwas Kurzbeinige wie mich. Platzangebot vorn wie hinten gut, Lenker eher schmal für ein Advenure-Bike (aha, geht schon weiter mit dem Sport), nach vorn orientierte, eher sportliche Sitzposition.
Also Schlüssel rumdrehen und los. Doch - das wird so nichts. Entgegen allen Vorurteilen, die von ganzjährig karibischen Temperaturen in Norddeutschland sprechen, haben auch wir hier oben im März ein paar kalte Tage zu überstehen (sieh einer an, bei motorradtest.de, da lernt man was). Und so tragen wir entsprechend dicke Handschuhe. Die Yamaha-Ingenieure (ver)steckten den Zündschlüssel jedoch so tief im Gebälk des Gitterrohrahmens, dass er nicht zu erwischen ist. Nervig, aber eine der ganz wenigen Abzüge in der B-Note des wirklich - so viel sei vorweggenommen - sauber gemachten Motorrades.
Auf der Straße (aber nicht daneben)
Manchmal ist Nichtstun das einzig richtige. Und so haben die Yamaha-Ingenieure genau das getan und ihren famosen Dreizylinder aus der 09er unverändert in die Tracer 900 GT eingebaut. Der will zwar meist gedreht werden, damit die 115 PS zackig zum Dienst antreten, doch der Motor kann auch niedertourig, weshalb er in einem Adventure-Bike nicht falsch am Platz wäre. Auf jeden Fall hat er in allen Lebenslagen richtig Druck und selbst das Drehmoment scheint immer kräftiger zu sein, als die angegebenen 87,5 Nm bei hohen 8.500 U/Min vermuten lassen, was für das Gelände eher positiv wäre. Wäre, der Konjunktiv? Schon zwei Mal?Ja, kommen wir doch mal zum Punkt. Die Yamaha Tracer 900 GT ist eine umgemodelte MT-09, ein Kurvenwetzer also, der sich auf dem Weg zum nächsten Pass nicht blamiert. Touren kann sie, will sie aber nicht. Geländetauglich? Bleib mir weg. Die Tracer ist eines der unadventurebikigsten Adventurebikes, das es auf dem Markt gibt.
Damit ähnelt sie erstaunlich stark Modellen wie der Ducati Multistrada 950. Auch bei dieser sollten die Reise- oder Geländetauglichkeit nicht der erste Grund sein, um sich zum Händler zu bewegen. Die meisten Fahrer*innen (!) werden an ihr schätzen, dass sie rundum einfach richtig gut ist und beim Facelift noch verbessert wurde. Beispiel hintere Aufhängung: Nach dem Facelift ist sie sechs Zentimeter länger, was dem Geradeauslauf stützt. Oder die Leichtfüßigkeit, mit der sich die nur 215 Kilo schwere Yamaha Tracer 900 GT ums Eck werfen lässt - das ist schon klasse.
Fazit - was bleibt hängen
Der Autor dieser Zeilen gibt es gerne zu: Er hat ein Faible für etwas schräge Motorräder, Typen und Tätigkeiten. Mir ist die Yamaha deshalb in ihrer Unaufgeregtheit zu distanziert, was aber eine rein persönliche Wertung ist.Die Yamaha versucht sehr erfolgreich alles Schräge außer Schräglagen aus ihrem Leben zu verbannen. Sie ist ein echter Tipp und wird sich auf dem Markt mit all ihren Fähigkeiten sicher behaupten - die Yamaha Tracer 900 GT ist ideal für Leute, die ungern Fehler machen oder fahren.
Typen wie ich müssen weitersuchen. Kennt man ja ...
Unser Dank an Motorrad Ruser für das Bereitstellen des Testbikes.
Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre
- Preis: 12.400€
- Gebraucht (3 Jahre alt): 7.500€
- Baujahre: seit 2015
- Verfügbarkeit: gut
- Farben: blau, schwarz, grau