Test: KTM 1290 Super Duke R
Eine wie keine
Nun lassen wir mal alles Überflüssige weg, nehmen einen V2-Motor, einen Gitterrohrrahmen und einen Tank. Mit der gesparten Kohle lassen wir es richtig krachen und greifen uns den 177 PS starken Motor, der gerade im Regal herumsteht. Fertig ist die KTM 1290 Super Duke R, genannt "the beast". Hört sich nach viiiiiel Spaß an? Dachten wir auch und besorgten uns eine für den Test.
Schnell? Aber sicher.
Trotz ihres minimalistischen Naked Bike-Aufbaus sieht man der Super Duke schon von weitem an, dass sie als Kind in einen Eimer mit Zaubertrank gefallen ist. Das ganze Bike ist das Gegenteil von dezent, allein der Tank greift scheinbar wie mit Klauen um den Frontscheinwerfer. Der nur zum Teil orange lackierte Gitterrohrrahmen unterstreicht den breitbeinigen Auftritt der Duke.
Das Datenblatt erzählt Dietmar und mir, dass gleich 174 PS auf nur 204 Kilo Lebendgewicht treffen. Noch beeindruckender finde ich, dass der Motor in keinem Drehzahlbereich weniger als 100 Newtonmeter Drehmoment abgibt. Da stellt sich schon die Frage, ob man sich vorhin von den Lieben mit der nötigen Ernsthaftigkeit verabschiedet hat … „es war immer nett mit Euch, aber ich muss jetzt zum Duke“?
Wie immer dem sei, ein geplanter Selbstmord ist eine Fahrt mit der KTM sicher nicht. Die Österreicher packten der Super Duke alles an elektronischen Rettungsankern ein, was man heute eben so hat: Neben der Traktionskontrolle auch noch ein serienmäßiges Kurven-ABS. Großzügig von KTM? Nun, wie man es nimmt. Immerhin muss man vor Fahrtantritt satte 17.099 Euro auf das Konto des freundlichen Händlers überweisen, da sollte so etwas drin sein.
Für Reisen ist die GT zuständig
Viel mehr gibt es nicht, hier ist die Duke typisch Naked Bike. Vom Konzept her also ideal für einen Tag draußen mit den Jungs. Wer länger draußen bleiben möchte, sollte die mit Windschild und Koffersatz versehene GT nehmen (für gar nicht mehr schlanke 18.999 Euro). Immerhin: Die Super Duke bringt neben dem Fahrer auch den Sozius bequem unter, was bei Naked Bikes eine Seltenheit ist.
Für mich ist Keyless-Go bei Motorrädern eine dieser typischen Scheininnovationen. Ständig sucht man den Schlüssel, der durch den Sender etwas größer als normal ist, und den man außer für das Zündschloss eben doch braucht. Dass dieses System stark diebstahlgefährdet ist, macht es irgendwie nicht besser. Die Super Duke hat Keyless-Go, aber das ist schon das Einzige, was man an der Bedienbarkeit aussetzen kann – also los.
Der Druck auf den Startknopf bringt es an den Tag: Ich bin ein Typ, der irgendwie nie aus seiner Pubertät herausgekommen ist. Wie ich mich über diesen halbstarken „Ready to race“-Schriftzug im Display freuen kann, bringt Dietmar zum Kopfschütteln.
Ansonsten ist die geballte Elektronik-Power kaum zu sehen. Man kann alles Mögliche einstellen, aber man kann es ebenso gut sein lassen. Das hübsche Display ist vernünftig abzulesen und lenkt nicht vom Fahren ab.
Dann wollen wir die ganze Fuhre mal in Schwung bringen.
Das Drama bleibt aus
Erste Überraschung: Wir hatten eigentlich erwartet, dass die KTM mit einem Mördersound immer und überall abgeht wie eine Rakete. Okay, der Sound des V2 ist einfach klasse und signalisiert mit jedem puffen, dass hier ein testosterontriefendes Moped kommt. Aber die Hektik, die viele Sportler beispielsweise von Ducati auszeichnet, ist der KTM fremd.
Der Erstkontakt ist deshalb eine Überraschung: Die KTM ist ein Leistungsmonster, aber ein kultiviertes. Sie fällt nicht unangenehm aus dem Rahmen. Sie geht ab wie eine Rakete, aber man kann die Kraft wunderbar dosiert einsetzen. Übertriebene Reaktionen oder Lastwechsel sind ihr fremd.
Es ist seltsam: Die 174 PS kauft man ihr jederzeit ab, aber man merkt sie eher wenig. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass Motorräder grundsätzlich ziemlich schnell sind. Da ist ein so kraftvoll motorisiertes wie die Super Duke zwar die Spitze des Eisbergs, aber sie zeigt eben die Grenzen der Haftung und der Physik: Ihre Beschleunigung Nullhundert ist mit 3,3 Sekunden nicht viel besser als Bikes, die es bei 100 PS bewenden lassen.
Aber das Drehmoment von immer, immer, immer über 100 Newtonmetern? Ja, auch das ist da. Und fühlbar. Aber ganz ehrlich? Kaum fahrbar: Bei niedrigen Drehzahlen schüttelt sich der V2 bauarttypisch ganz schön, so er ab 3000 Umdrehungen kraftvoll durchzieht. Aber niedrige Drehzahlen machen ihm und in der Folge dem Fahrer keinen Spaß.
Dass das ganz große Drama ausbleibt liegt auch am Sicherheitsnetz der KTM: Bei unseren ausführlichen Testfahrten war die Straße immer nass, manchmal kam Regen hinzu. Die vorzügliche Traktionskontrolle greift hier nicht zu hart ein, sondern dosiert die Leistung gezielt herunter. Das ist eine tolle Abstimmung der KTM-Ingenieure, aber das Dramatische geht damit verloren.
Bei den Videoaufnahmen habe ich es einmal übertrieben und die KTM auf nasser Strecke überbremst. Was beim Bremsentest geradeaus dank des sehr guten ABS problemlos ging (siehe im Video bei 13:00 min), sorgte beim harten Anbremsen vor der Kurve in leichter Schräglage für ein kurzes Wegdrücken des Hecks (19:15 min). Da dachte die KTM wohl, ich wolle ein bisschen Spaß haben, dabei war ich einfach nur zu schnell.
Im Normalfall sind die Bremsen eine Wucht. Sie lassen sich fast mit einem Finger betätigen, wunderbar dosieren und lassen auch nicht nach. So muss das sein.
Zum Fahrwerk: Vor allem an der Hinterhand wünschte man sich einen Tick mehr Präzision, wie es viele italienische Motorräder so hinkriegen, was aber Jammern auf hohem Niveau ist.
Fazit - doch kein Biest
Ist die Super Duke das Biest, wie KTM sie selber nennt? Nein. Trotz all der formidablen Leistung, die immer zur Verfügung steht: Kaum je wurde diese so verantwortungsbewusst dargeboten. Biestig ist hier nichts, was für ein Glück. Die Super Duke wird öfter Freudentränen statt Angstschweiß produzieren.
Die KTM ist ein umgängliches Motorrad, das sich selbst in der Stadt nicht unwohl fühlt. Für ein Naked Bike ist die Soziustauglichkeit verträglich, der Windschutz hingegen … nunja. Wer jemals die Höchstgeschwindigkeit von 280 km/h ausprobieren will, sollte sich gut festhalten oder mit 30 Metern doppelseitigem Klebeband am Bike fixieren.
Ansonsten: Daumen hoch!
Das Test-Bike wurde uns von Motorrad-Ruser zur Verfügung gestellt.
Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre
- Preis: 17.099 €
- Gebraucht (3 Jahre alt): ab 10.000 €
- Baujahre: seit 2013
- Verfügbarkeit: sehr gut
- Farben: schwarz, weiß