Test: Moto Guzzi V7

Charakterkopf

image Fotos: Motorradtest.de

Wann eigentlich lieben oder zumindest mögen Biker ihre Maschine? Ein Blick in die Top 10 der Motorradzulassungen beweist: Deutschland steht auf Musterknaben. Alles gute Motorräder, keine Frage. Aber könnte es sein, dass hier nicht die besten, sondern die Motorräder mit den wenigsten Mängeln auftauchen? Unser Testobjekt ist da anders: Wir fahren die charakterstarke Moto Guzzi V7, die eines ganz bestimmt nicht ist: Mainstream.

Nur nicht stören

Ein Freund von mir ist Fußball-Fan (keine Sorge, gleich geht’s wieder um die Guzzi). Jeden Samstag und Sonntag vor der Glotze Fussi gucken, ist jedoch nicht Familien-kompatibel. Also müssen die Zusammenschnitte im Radio reichen, die aber laut ihm immer von Tina Turner-Songs unterbrochen werden. Warum das wohl so sei?

Die Antwort ist ganz einfach: Weil nicht das im Radio gespielt wird, was die meisten mögen, sondern das, was die meisten nicht stört. Und hier schließt sich der Kreis: Man könnte durchaus die Theorie aufstellen, dass Motorradhersteller Fehler mehr scheuen als besonders herausragende Eigenschaften, die möglicher Weise anecken. Und so gilt für die getestete Moto Guzzi V7: Es gucken sich viele Leute die Mopeds an, gekauft wird aber vorzugsweise deutsch oder japanisch.

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Einfach ein Motorrad

Die Guzzi ist ein wahrer Charakterkopf, und im Grunde unverändert. Die V7 wurde erstmals 1967 vorgestellt, seit 2019 ist nach langer Produktionspause die dritte Generation am Start. Natürlich ist diese eine Neukonstruktion und keine Schraube mit dem Urmodell identisch – aber dennoch ist dies kein Retrobike wie die Kawa Z 900 RS, sondern die Moto Guzzi sieht so aus, als ob sie seit den 60ern einfach weitergebaut wurde. Man hört heute förmlich die Entwickler beim Essen vor der Siesta mit der Frage ringen, ob man wirklich das ABS hätte verbauen sollen, es wäre ja schließlich 40 Jahre ohne diesen neumodischen Quatsch gegangen.

Es hat für das ABS gereicht, auch für 52 PS aus dem längs eingebauten V2. Ein Kardanantrieb schaufelt dessen Drehmoment und PS zum Hinterrad, was insgesamt ungewöhnlich ist. Knackig die Optik: Unsere Version ist schwarz mit grünem Längsstreifen, aber es gibt noch fünf andere. Mal mit Chrom, mal matt, mal bunt. Insgesamt haben alle eines gemeinsam: Wenn ein Kind ein Motorrad malen würde, es käme der Moto Guzzo V7 ziemlich nahe. Ein Naked Bike, wie man heute sagt, früher hieß es einfach … Motorrad.

Dann mal los, durch das heutige Hier und Jetzt düsen.

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Es lebe die Mechanik

Der lässige Schwung aufs Bike fördert es sofort an den Tag: Die Guzzi ist ein kleines Bike. Ganze 2,18 Meter nur ist sie lang, und die Sitzhöhe ist mit 770 Millimetern niedrig. Das mag kleinere Menschen freuen, Langbeinige werden mit dem engen Kniewinkel zu kämpfen haben. Große Freude beim Blick auf das Cockpit: Zwei analoge, chromgefasste Rundinstrumente strahlen den Fahrer an, und der strahlt automatisch zurück. So muss das sein.

Doch, was ist das? Im Tacho links gibt es ein kleines Feld. Der Schlüsseldreh bringt es an den Tag: Ein kleiner Bordcomputer zeigt Dinge wie die Füllstände, Kilometerstand und weiteres an, was zum Fahren eher unwichtig ist.

Den Seitenständer hoch, den ersten Gang rein und kann losgehen. Zwei Dinge fallen auf: Guzzi bietet, erstens, für die V7 keinen Hauptständer an. Das ist zwar üblich bei Naked Bikes, aber bei der Guzzi notwendig, weil dieser die ohnehin knappe Schräglagenfreiheit weiter begrenzen würde. Das deutliche „Klong“ beim Einlegen des Ersten macht, zweitens, gleich mal klar, dass die V7 ein durch und durch mechanisches Bike ist. Hier wird gezündet, gepufft, geklongt, der Biker wird zum Teil der Maschine.

Knorrig, aber ausreichend präzise geht es weiter im Getriebe. Es lässt sich gut schalten, nur der Leerlauf, der verbirgt sich gerne mal. Überraschend kräftig ist der Motor: Sein roter Bereich beginnt schon bei 6.500 U/min, gefühlt hat er mehr als 52 PS (bei 6.200) und 60 Nm Drehmoment bei 4.900 Umdrehungen. Ebenfalls klasse ist der Sound aus den beiden verchromten Endrohren des V2, dumpf bollernd und nie zu laut, begleitet er den Fahrer.

Die Sitzposition ist sportlich, aber nicht unbequem. Die Sitzbank ist komfortabel, aber für den Soziusbetrieb zu kurz. Die Guzzi ist, wie schon erwähnt, ein kleines Motorrad. Mit 213 Kilo voll zudem ein relativ leichtes, was sie in Kurven gutmütig und leicht einlenken lässt. Nicht ganz so überzeugen konnte im Test die Arbeit der Stereo-Hinterradfederung: Auf langen Bodenwellen schwingt die Guzzi nach, während kurze Stöße einen trockenen Schubs in den Po bedeuten. Um nicht missverstanden zu werden: Unsicher ist das nie.

Kleine, aber treue Fangemeinde

Was bleibt als Fazit? Die Moto Guzzi V7 findet sich in der Endabrechung in ungewohnter Nachbarschaft wieder: Ähnlich Choppern oder Supersportlern bedient die Guzzi eine relativ kleine Zielgruppe. Die Fans der Marke schätzen an ihr genau das, was andere als schrullig empfinden mögen.

Ein Motorrad wie dieses wird es niemals in die Top 10 der Zulassungsstatistik bringen. Das als Wert an sich zu begreifen, fällt bei der ungemein charakterstarken Moto Guzzi nicht schwer.

Das Testbike wurde uns von ZTS in Hamburg zur Verfügung gestellt.

Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre

  • Preis: 8.800€
  • Gebraucht (3 Jahre alt): 6.400€
  • Baujahre: seit 2019
  • Verfügbarkeit: gut
  • Farben: sechs verschiedene Modelle
Pro & Kontra
Pro:
  • Viel Chrom ;)
  • Fahrstabilität
  • Verarbeitung
  • kräftiger Motor
Kontra:
  • Soziuskomfort
  • Hinterradfederung unterdämpft
05.2020: Test: Moto Guzzi V7
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