Test: Kawasaki Z 900 (2020)
Der kleine, grüne Kobold in neuer Frische
Da hat Kawasaki mit der Z 900 seit 2017 einen echten Bestseller im Programm. Aber es vergehen die Jahre, und die Kunden fordern mal wieder ein Facelift des knackigen Naked Bikes. Idealer Weise dient ein Faclift dazu, die Stärken zu erhalten und die Schwächen zu lindern. Ob das geklappt hat, zeigt der Test von 2020er-Modell.
Zwei Dinge störten
Starten wir mit einem Blick zurück: Als die Z 900 bei uns zum vorigen Mal zum Test antrat, hinterließ sie eine fast rundum zufriedene Testcrew: Wie der Motor seine Leistung von 125 PS abgab, das Fahrwerk dies unbeeindruckt wegsteckte, und das kompakte Naked Bike durch die Kurven wetzte – klasse. Zwei Dinge jedoch störten: Erstens der minimale Soziuskomfort. Daran, so muss man leider konstatieren, änderte Kawa nichts. Warum die meisten Hersteller markenübergreifend beschlossen haben, eine Große Koalition aus Soziusquälern zu bilden, bleibt völlig unklar.
Jetzt mit Elektronikpower
Der zweite Kritikpunkt ist etwas differenzierter zu bewerten. Die alte Kawasaki Z 900 sparte für einen Großteil der Fahrer am falschen Platz: Es gab ein ABS, aber sonst keinerlei elektronische Fahrhilfen. Den Hardcore-Fans genügt das Antiblockiersystem, schon ein digitaler Drehzahlmesser gilt in diesen Kreisen als neumodischer Murks. Diese Käufer werden nicht goutieren, dass die neue Traktionskontrolle in verschiedenen Stufen einstellbar ist. Auch die Fahrmodi werden hier nicht Stürme der Begeisterung auslösen. Alle Funktionen sind über das neue und farbige TFT-Display anwählbar.
Um es kurz zu machen: Die Kawa geht früher wie heute wie die berühmte Sau, auch wenn sie nicht durch das ebenso berühmte Dorf getrieben wird. Fehler machen wir alle mal – insofern: Auch wenn man sich für den besten aller möglichen Motorradfahrer hält, macht der elektronische Schutzschirm der Kawa Sinn.
Funktioniert die neue Technik tadellos? Dann mal los.
Nach wie vor klasse
Fangen wir mit den für das Fahren unwichtigsten Eindrücken an. Die erste Runde um das Bike zeigt im direkten Vergleich, dass sehr viele Verkleidungsteile geändert wurden. Kawasaki bezeichnet das selbst als „nächste Stufe des Sugomi-Stylings“, was nichts anderes bedeutet, als dass die typische Mischung aus Transformers Elementen und Insektenaugen neu abgestimmt wurde. Und doch - ohne dass man ein bestimmtes Verkleidungsteil als Verantwortlichen identifizieren könnte - es klappt. Die neue Z 900 wirkt harmonischer als die alte. Dass es jetzt Voll-LED-Beleuchtung gibt, rundet das schöne Bild ab.
Eigentlich gut ist auch das neue TFT-Display. Es ist übersichtlich und grafisch klar gegliedert. Die elektronischen Helferlein zu sortieren, abzustimmen und anzupassen sollte deshalb eigentlich kein Problem sein. Wenn, ja wenn, Kawasaki von den neuen Funktionen nicht so überrascht gewesen wäre, dass sie die Bedienung auf Schalter und Knöpfe an der linken Lenkerseite und auf zwei weitere Knöpfe am Display verstreut hätte. Während der Fahrt sollte man die vielen nötigen Finger davon lassen, aber das muss man ja auch nicht.
Viel wichtiger: Es funktioniert alles wunderbar. Die Traktionskontrolle regelt feinsinnig, ebenso findet sich der passende Fahrmodus. Die alte Kawa ließ einen wundern: 125 PS in einem Mittelklasse-Bike? Schließlich haben wir uns dazu durchgerungen, die Z 900 als „gehobene Mittelklasse“ zu definieren, weil sonst die Z 650 oder Yamaha MT-07 aus dem Raster Mittelklasse geflogen wären.
125 Pferdestärken also, und Kawa will die Motorsoftware neu angepasst haben. Klar ist: Was immer die neuen Programmzeilen der Hardware in Form des fantastischen Vierzylinders befehlen, es hat geklappt. Die Z 900 stürmt mit voller Begeisterung durch das Drehzahlband und hat einen sehr weiten Nutzungsbereich. Auch unter 2.000 Touren schlägt sie nicht mit der Kette um sich und versucht den Reiter abzuwerfen. Am anderen Ende will die Kraft gar nicht aufhören, ab 6.000 entfesselt sich der Sturm bis zur Spitze. So muss das ein. Dass der neue Auspuffsound dazu passt, rundet das Bild ab.
Die Z 900 ist ein relativ kompaktes Bike. Aber mit 210 Kilo nicht übermäßig leicht. Das hindert die Kawa nicht daran, sich mit großem Elan in die Kurven zu werfen. Die Stopper arbeiten stabil und beim Bremsen in der Kurve mit geringem Aufstellmoment. Die Sitzposition am eher hohen Lenker ist angenehm, nicht zu sportlich. Das bedeutet bei einem Naked Bike andererseits, dass der Wind eine eher große Angriffsfläche hat, der von keinerlei Windschutz gemildert wird. Naked Bike eben. In diesem Fall aushaltbar bis 180 km/h, die 240 km/h spitze sind eher theoretischer Natur. Außer man hat sein Sitzfleisch mittels doppelseitigem Klebebank an der jetzt höheren, aber nach wie vor komfortablen Sitzbank fixiert.
Noch was vergessen? Ach ja, das Getriebe. Es schaltet japantypisch butterweich und präzise, hier kommt keine Klage. Obwohl der oberste Gang eher drehzahlsenkend ausgelegt ist, würgt er den 948 Kubikzentimeter großen Reihenvierzylinder nicht ab. Aber ein wenig Verweigerungshaltung betreibt Kawa dennoch: Einen der immer beliebter werdenden Quickshifter gibt’s nicht mal gegen Aufpreis.
Gut - wenn man Sportler mag
Was bleibt? Mit 9.845 Euro ist die Kawasaki Z 900 des 2020er Jahrgangs zwar teurer, aber mit ihrer elektronischen Ausstattung auch erheblich wertiger geworden, vor allem im Bereich der Sicherheit. Eingebüßt von ihrem Qualitäten hat sie nichts – jedenfalls für sportlich orientierte Fahrer.
Allerdings ist sie ein sehr animierendes Motorrad: Das Bike spricht den Fahrer auf einer emotionalen Ebene an. Nur die Message ist immer gleich: Dreh endlich bis zum Anschlag! Wer das mag und keinen Soziusplatz benötigt, hat hier einen voll alltagstauglichen Sportlerkollegen. Wem das zu hektisch ist, den werden auch die neuen Features nicht überzeugen können.
Das Testbike wurde uns von Heller & Soltau in St. Michaelisdonn zur Verfügung gestellt.
Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre
- Preis: 9.845€
- Gebraucht (3 Jahre alt): 6.500€
- Baujahre: seit 2017
- Verfügbarkeit: gut
- Farben: rot, knallgelb