Harley Davidson Low Rider S 117 im Test

Der Power-Cruiser mit dem 117er Milwaukee-Eight im Test

Harley Davidson Low Rider S 117 Fotos: Motorradtest.de
 
Harley Davidson hat in diesem Jahr der Low Rider S seinen Milwaukee Eight mit 117 Kubik Inch verpasst. Was dabei herausgekommen ist, haben Volker und Dietmar bei einer Probefahrt erfahren dürfen. Achtung: Wer eine Aversion gegenüber dem Wort "brachial" hat, sollte diesen Bericht lieber nicht lesen.

Brachiale Angelegenheit

Die Low Rider ist ganz klar Kulturgut bei Harley. Schon seit 1977 fährt sie sich erfolgreich durch das HD Programm, zuletzt auch als ST (-> Test) mit Verkleidung und Koffern. Die hier getestete Low Rider S kommt schön nackig daher und beschränkt sich auf das Wesentliche: Motor, Fahrwerk, Sitzbank, fertig. Sie kostet 22.795 Euro und ist damit die günstigste Harley mit dem 117er V2.
 
Schon auf den ersten Blick ist die Low Rider S ein beeindruckendes und Respekt einflößendes Gefährt. Sie hat eine typische Cruiser-Silhouette und einen langen Radstand mit 19 Zoll Vorderrad - also eigentlich genau das, was Harley Fahrer so mögen. Erhältlich ist sie in vier Farben. Uns wurde die sehr schwarze Version mit der Jekill & Hyde Auspuffanlage von Harley Davidson Kiel zur Verfügung gestellt. Dort steht übrigens auch noch ein weiterer Vorführer mit der Anlage von Kess-Tech, sodass beide Versionen soundmässig miteinander verglichen werden können.
 
Farbauswahl
Die Low Rider S 2024 gibt es in vier Farben.
 
 
Abmessungen und Sitzprobe
 
Standardmäßig ist die Fußrastenanlage der Low Rider S eher mittig angebracht. Durch den relativ weit vorne angebrachten Lenker ergibt sich so eine etwas gebückte Sitzposition. Das ist zwar für große Personen okay, doch werden viele Harley-Fahrer die Fußrasten weiter nach vorne verlegen (lassen). Wie fast immer bei Harley sitzt man gefühlt auf der Straße und kommt sicher mit den Füßen auf den Boden.
 
Das ist auch gut so, denn das Rangieren der 300+ Kilo Maschine erweist sich als nicht gerade fluffig. In Serie kommt die Low Rider S als Solositzer, was extrem cool aussieht. Unser Testbike hatte eine Zweisitzer-Sitzbank plus Beifahrer-Fussrasten. Der Sozius bzw. die Sozia sitzt überraschend gut, wenn auch der Platz hinten nicht gerade üppig ausfällt. Naja, ein echter Zweisitzer-Tourer ist die Low Rider S natürlich nicht, da ist z.B. die Road Glide (-> Test) dann doch die bessere Wahl. 
 
 
Sitzprobe und Abmessungen
So sitzt es sich auf der Harley Low Rider S 2024
 

360 Grad Rundgang um die Low Rider S 117

Cockpit Beleuchtung vorne Beleuchtung hinten

Technik

Das Cockpit der Low Rider S befindet sich nicht mehr wie bei früheren Versionen auf dem Tank, sondern vorne über der Gabelbrücke. Es gibt eine analoge Anzeige für die Drehzahl und ein inverses LC-Display mit allerlei Infos: Benzinfüllstand, Drehzahl, Gang, Bordcomputer etc. - das Nötigste halt. Sieht gut aus und nichts lenkt ab. 

Die Maschine hat eine Traktionskontrolle sowie einen Tempomaten in Serie an Bord. Außerdem finden wir eine USB-Dose, Warnblinkanlage, Keyless Ride sowie einen Umschalter für den Klappenauspuff. Den gibt es natürlich nur, sofern man die Standard-Auspuffanlage durch eine Jekill oder Kess Anlage tauscht.

Beim Licht setzt Harley auf LED für Front und Rücklicht sowie dem Tagfahrlicht, die Blinker im Bullet-Style beherbergen hingegen noch Glühlampen. Sieht cool aus und außerdem besitzen die Blinker nicht nur die klassischen Links/Rechts Schalter, sondern auch eine automatische Rückstellung.

Auspuff Jekill & Hyde Auspuffanlage - das kachelt.

So fährt sie sich

Der Sound der Low Rider S mit der Anlage von Dr. Jekill & Mr. Hyde ist mit einem Wort - brachial! Selbst mit geschlossener Auspuffklappe brabbelt und bollert es bereits schön bassig vor sich hin. Öffnet man dann den Auspuff mit dem Extra-Taster und gibt ein wenig Gas, gleicht die ganze Angelegenheit dann einem Gewitter inkl. Donner direkt nach dem Blitz vor der Nase. Ehrlich: Ich habe noch nie so ein Motorgewitter gehört. Hört mal rein, oben bei "Der Sound" - am besten mit Kopfhörer. 
 
Das Öffnen der Klappe ändert übrigens nicht nur den Sound, sondern versorgt das Triebwerk auch mit ordentlich Sauerstoff, was der Leistung nicht eben abträglich ist. Oder anders gesagt: Wer hier Gas gibt, sollte sich ordentlich am Lenker festhalten, sonst fährt die Low Rider S ohne seinen Fahrer weiter. Tatsächlich fühlt sich die Fahrt auf diesem Bike ein bisschen so an wie der Ritt auf einem wilden Mustang - oder auf einer Kanonenkugel, wenn man den Gashahn gleich ganz nach unten betätigt. Dann allerdings beschweren sich die Nachbarn und das Straßenverkehrsamt wegen der Verunstaltung öffentlicher Straßen mit schwarzen, breiten Strichen. 
 
 
Ich weiß, das klingt alles sehr unseriös und vielleicht etwas zu emotional, aber anders lässt sich das Fahrerlebnis der Low Rider S kaum beschreiben. Mag sein, dass ein Supersportler noch schneller beschleunigt oder durchzieht, aber so brachial - da ist es wieder, das Zauberwort - wie auf diesem Werk des Teufels fühlt es sich garantiert nicht an. Der Vorschlaghammer auf zwei Rädern! 
 
Milwaukee Eight 117 Motor
Milwaukee Eight 117 Motor - das brennt.
 
 
Natürlich ist die Low Rider S kein Kurvenräuber, auch wenn Volker das immer wieder gerne behauptet. Er hat damit auch insofern Recht, als man auch mit diesem Bike in den Alpen flott um die Kurven fliegen kann, aber eben nur dann, wenn man das Motorrad beherrscht. Anfänger werden ordentlich schwitzen, gerade wenn die Kurven enger und die Steigungungen höher werden. Egal, eigentlich ist eine Low Rider ja auch ein Cruiser, mit dem man gemütlich durch die Gegend surft. Mit dem neuen 117er Motor aber gelingt einem das kaum, weil es eben so viel Spaß macht, es immer wieder krachen zu lassen.
 
Bremsen vorne
4-Kolben Festsättel vorne - das bremst.
 
Fahrwerk und Bremsen sind mit dieser Power übrigens keineswegs überfordert. Die Low Rider S ist eher straff ausgelegt, was bei den kurzen Federwegen allerdings niemanden überraschen sollte. Bei problematischen Straßenverhältnissen gibt es deshalb auch den einen oder anderen Gruß an die Bandscheiben, damit muss man leben. Es ist aber alles im Rahmen und vor allem die Bremsen funktionieren tadellos. Es sind keine Sport- bzw. Ein-Finger Bremsen, dafür ist die Maschine einfach zu schwer. Wer aber heherzt in die Eisen greift, wird mit absolut ausreichender Verzögerung belohnt. Auch beim Bremsen lautet die Devise also: Hau rein, Kapelle!
 
Die Garantie der Harley Low Rider S liegt bei 4 Jahren, der Service ist alle 8.000 km oder einmal jährlich fällig. Wettbewerber sind Power-Cruiser, wobei uns als erstes die Indian Chief mit dem 116 CI Motor einfällt und erst danach die Triumph Rocket 3R sowie die Ducati Diavel V4 - und vielleicht auch noch die BMW R 18. 

 

>>> Vergleich HD Low Rider S mit anderen Power-Cruisern <<<
 
 

Fazit

Die Harley Davidson Low Rider S gehört ohne Frage zu den beeindruckendsten Motorrädern, die ich je gefahren bin. Das liegt nicht zuletzt an dem neuen 117er Motor, der die Fuhre nun mit einer deart brachialen (sorry) Gewalt nach vorne befördert, das einem der Atem stockt und man einen trockenen Mund bekommt. Dieses Motorrad scheint ausschließlich aus Emotionen gebaut zu sein. Die technische Ausstattung oder die sonstigen Aspekte anderer Motorräder verkommen hier zur absoluten Nebensache. Motorradfahren in seiner ursprünglichen Form mit Power in ganz größen Tüten: Das ist die Low Rider S.
 
Die Testmaschine wurde uns von Harley Davidson Kiel zur Verfügung gestellt. Probefahrten sind dort mit vielen aktuellen Harley Modellen möglich. Tipp für die Ausfahrt: Nicht mehr bis zum Westensee und dann links (Tempo 30!), sondern vorher schon links abbiegen Richtung Rodenbek/Rumohr.

Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre

  • Preis: 22.795€
  • Gebraucht (3 Jahre alt): 15.000€
  • Baujahre: seit 2017
  • Farben: Grau, Rot, Blau, Schwarz
Pro & Kontra
Pro:
  • brachialer Motor
  • brachialer Sound
  • brachiales Motorrad-Erlebnis
  • brachiale Emotionen
Kontra:
  • Sitzposition nicht für jedermann
  • schwer
08.2024: Harley Davidson Low Rider S 117 im Test
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