Fahrbericht BRP Can-Am Spyder F3-S
Was ist das denn?
Der Can-Am Spyder F3-S ist ein Dreirad mit viel Dampf an der Kette. Aber ist er näher am Motorrad mit Stützrad oder am Auto? Ein verlängertes Wochenende mit einem Modell von 2015 schafft Klarheit.
Das soll er können
Das sehr kompakte Dreirad mit dem Namen BRP Can-Am Spyder F3-S macht mit seiner martialischen, zerklüfteten und diversen Scheinwerfern gespickten Front gleich mal eins klar: Der will nicht nur spielen. Der offen liegende Gitterrohrrahmen, das fette Hinterrad und der Sportauspuff unterstützen den kernigen Auftritt, der bei Passanten für offene Münder sorgt.
Batman würde ihn sofort nehmen
Kannte man Dreiräder bislang nur als eher peinliche Gefährte, die mit schreienden Lackierungen, einem schwächlichen Käfermotor im Heck und Fahrern im besten Midlife-Crisis-Alter für Momente des Fremdschämens sorgen, ist der BRP komplett anders. Das fängt schon damit an, dass er im Gegensatz zu anderen Trikes sein fettes (225/50 R15) Einzelrad hinten trägt.
Ganz klar: Der Can-Am Spyder ist nicht das Produkt einer Bastelbude, sondern ein Stück ausgereifte Technik. Der kanadische Hersteller Bombardier ist in Deutschland nahezu unbekannt, was schade ist. Der Technikkonzern stellt unter anderem Eisenbahnen und Flugzeuge her, die bei der Lufthansa-Tochter City Line im Einsatz sind. Unter der Marke Bombardier Recreational Products, kurz BRP, hat er auch die Privatkunden im Visier: Vor allem im Norden der Weltkugel sind seine Schneemobile bekannt, Quads gibt es auch.
So fährt er sich
Dann mal los: Der neuentwickelte Rotax-Dreizylinder mit 115 PS röhrt kräftig und dreht bissig bis 7.000 U/min, die halbautomatische Tiptronic-Schaltung schießt den nächsten Gang rein - da kommt richtig Freude auf. Das Gas bleibt stehen, die Fuhre schießt auf die nächste Kurve zu. Mit der zentralen Fußbremse für alle drei Räder klappt auch das Entschleunigen problemlos. Zwei Gänge runter, der Can-Am stützt sich auf das kurvenäußere Vorderrad und kann am Scheitelpunkt wieder sauber beschleunigt werden.
Wie gut das alles miteinander harmoniert, macht eine Erkenntnis klar: Auf öffentlichen Straßen ist es nahezu unmöglich, das Potential des Spyders auszuloten. Der Spyder bleibt bis in sehr hohe Kurvengeschwindigkeiten immer neutral. Erst der Abstecher auf einen leeren Supermarkt-Parkplatz (siehe Bildergalerie) mit bewusst herbeigeführten, abrupten Fahrmanövern weckt das sanft eingreifende ESP aus seinem Schlaf. Auch hier gilt für den Spyder: Neutralität im Fahrverhalten ist oberstes Gebot, allenfalls ein zartes Untersteuern ist spürbar.
Der Spyder ist eine spaßige Alternative, aber kein Motorrad
Die Rolle als sicheres Spaßgefährt füllt der BRP gut aus, was den Vergleich mit einem Motorrad nahelegt. Doch man könnte falscher nicht liegen, will man den F3-S denn einordnen. Abgesehen von den offensichtlichen Gemeinsamkeiten mit einem sportlichen, unverkleideten Motorrad - Helmpflicht, Wetterschutz - liegt der Unterschied vor allem in drei Gründen.
Erstens: Der im Stand knuffige, ultrakompakte Spyder scheint förmlich in alle Dimensionen zu wachsen, sobald man auf ihm Platz nimmt. Vor dem Fahrer liegt viel mehr Material als bei einem Motorrad. Der zweite Grund ist die Sitzposition: Im Gegensatz zu den meisten Motorrädern streckt der Fahrer hier die Beine nach vorne, ähnlich der Sitzposition auf einem Chopper.
Kurvenräubern kann anstrengend werden
Der größte Unterschied zwischen Motorrad und BRP liegt jedoch in dem, was Motorradfahren ausmacht: Dem Kurvenräubern, dem Austarieren von Geschwindigkeit und Schräglage. Schräglagen existieren im satt liegenden Spyder nicht, falls überhaupt verkehren sie sich ins Gegenteil.
Auf einem Motorrad sitzt man meist aufrecht: Die gesamte Einheit aus Fahrer und Maschine legt sich in die Kurve, doch der Fahrer bleibt in einer Linie mit der Hochachse des Fahrzeugs. Das ist beim Can-Am anders: Die Fliehkräfte in Kurven muss man mit seinem Körper selbst ausgleichen. Legt sich der Motorradfahrer in die Kurve, muss der Spyder-Reiter im Gegensatz dazu mit dem Druck des Körpers auf das kurvenäußere Vorderrad klarkommen. Sehr schnell gefahren, wird das auf Dauer anstrengend. Feine Reaktionen auf Lenkbewegungen oder das Führen des Spyders über den Schenkeldruck entfallen. Das verbindet ihn eher mit einem Auto und mehr noch mit einem Quad, dem er am nächsten kommt.
Mit dem Modell Spyder F3-S steht die vierte Version seit 2007 zum Verkauf, daneben gibt es noch Modelle für Tour und Sport Light. Unser F3-S war 2015 die stärkste und sportlichste Version des Modellprogramms. Als Einzige vertraute sie auf den neuen Rotax-Dreizylinder, der mit den rund 350 Kilogramm (plus Besatzung) leichtes Spiel hat. Bislang ist der Markterfolg des BRP eher bescheiden: In Deutschland gibt es unter 3.000 Stück, im Vergleich zu den Verkaufszahlen von Motorrädern ist das verschwindend wenig.
Technik satt: ESP, Traktionskontrolle und ABS
Unter die Kunststoffhaut packt Bombardier alles an Technik, was gut und sicher ist: ESP, ABS und sogar eine Traktionskontrolle gibt es. Das halbautomatische Getriebe wird über eine griffgünstig angebrachte Schaltwippe bedient: Hochschalten muss man manuell, das Runterschalten übernimmt der Spyder selbst. Wer will, kann manuell eingreifen, muss aber nicht.
Fazit - was bleibt hängen?
Der Spyder straft sein martialisches Design beim engagierten Kurvenräubern Lügen: Der Spyder kann das zwar, aber abgesehen von der entrückten Sitzposition entstehen trotz Servolenkung dabei hohe Haltekräfte am Lenker. Im Grunde seines Herzens ist der F3-S Spyder ein Tourer, was auch der drehmomentstarke Motor sowie der gute Fahrkomfort unterstreichen. Der Spyder ist ein Spaßgerät mit einem hohen Unterhaltungsfaktor. Für Schüchterne ist der Can-Am eher nicht geeignet, schnell bilden sich Gruppen um den geparkten Spyder, den es gebraucht ab rund 12.000 Euro gibt. Für die schönen Momente, die gerne etwas länger sein dürfen, entführt er seine Besatzung am liebsten über Landstraßen einfach so ins Grüne. Und das Beste an ihm: Ein Motorradführerschein ist erst seit 2013 nötig, wer seinen Autoführerschein vorher gemacht hat, ist bestens ausgestattet.
Der Test-Spyder wurde uns von Scholly's Motorrad GmbH, Bahnhofstr. 6, 27308 Kirchlinteln, http://quad.scholly.de/MOTORRAD/CANAM zur Verfügung gestellt. Probefahrten sind dort nach Anmeldung jederzeit möglich.
Daten & Fakten
Der Spyder kostet in der von uns gefahrenen Variante F3-S neu ab 18.899 Euro. Dafür gibt es jede Menge Technik und ein ausgereiftes Fahrwerk, das nicht übermäßig sportlich ist.
Alle Fotos: Portal-Manufaktur
Sieht zwar cool aus, aber so bitte nicht: Ohne Helm darf der Spyder nicht bewegt werden. Da er über keinen Wetterschutz verfügt, ist das auch besser so.
Wo er auch auftaucht, der Spyder ist mit seinem offen liegenden Rohrrahmen und der ungewöhnlichen Optik ein Blickfang.
Erst auf einem leeren Parkplatz und abseits prüfender Blicke der Obrigkeit konnten wir den Spyder an die Grenze bringen. Dann fängt ihn das zuverlässige ESP wieder ein.
An das Fahrverhalten muss man sich zuerst gewöhnen: Der Spyder drückt im Extremfall über das äußere Vorderrad, was Motorradfahrer überrascht.
Die Bedienungselemente auf der linken Seite erinnern dann doch an ein Motorrad. Ungewöhnlich sind nur der oben liegende Knopf für den Rückwärtsgang sowie die Feststellbremse.
Alles doppelt: Drehzahl und Geschwindigkeit werden analog und digital angezeigt. Das ist alles sehr leicht zu verstehen und gibt keine Rätsel auf.
Auch die rechte Seite erinnert mit dem roten Notaus-Knopf und dem Starterknopf unten an die Bedienung üblicher Motorräder.
Komplett anders ist die Bremse. Alle drei Bremsscheiben (mit ABS) werden über ein einziges Fußpedal betätigt. Das klappt ganz vorzüglich.
Alles klar: Die sehr bequemen und breiten Sitze lassen einen auch Langstrecken meistern. Die Beine des Fahrers stehen in Fahrposition weit auseinander.
Statt einer Kette überträgt ein Antriebsriemen die Kraft des Motors. Der Spyder ist bis zu180 km/h schnell und schafft den Sprint auf 100 km/h in 4,4 Sekunden.
Das aufwendige Fahrwerk ist sehr schön abgestimmt. Doch Kurvenräubern ist anstrengend: Man muss den Spyder (und sich) mit Muskelkraft auf Kurs halten und verschmilzt nicht mit ihm wie auf einem Motorrad.