Test: Suzuki GS 500E

Kann ein Bike für 900 Euro funktionieren?

image Fotos: Motorradtest.de. Historisch: Suzuki

Da wir nicht nur Neumaschinen testen, haben wir uns diesmal das Extrem gegönnt: Diese Suzuki GS 500E hat tatsächlich 24 Jahre auf dem Buckel, keinerlei elektronische Fahrhilfen, dafür aber Choke und Benzinhahn. Auf geht’s zum Test und der Antwort auf die Frage, ob 900 Euro für den Kauf eines Motorrades reichen.

Ab 200 Euro geht es los

Motorräder wie unsere Suzuki werden ab 200 bis 2.500 Euro gehandelt. Entsprechend weit gefasst ist der jeweilige Zustand: Vom gepflegten Ersthand-Bike eines vertrauensvollem Rentners bis zur abgerockten Möhre aus achter Hand ist alles dabei. Es zeigt sich, dass die Suzuki bis heute ausgesprochen beliebt ist: 27.000 Exemplare meldet das Kraftfahrt-Bundesamt als noch existent, eine sehr hohe Zahl.

Unsere Testmaschine wurde sorgsam ausgesucht, als der heutige Besitzer sie vor rund drei Jahren kaufte. Nur 27.000 Kilometer hat sie runter, dazu spendierte der Vorbesitzer frische Reifen, einen Kettensatz und neue TÜV-Plakette. Haben wollte er für die Maschine 950 Euro, bekommen hat er 900. Die Fragen aller Fragen: Lohnt sich das? Finanziell, aber auch technisch?

In unserem Falle müssen wir die erste Frage mit Ja beantworten. Nach dem Kauf fuhr der neue Besitzer zwar nicht übermäßig viele Kilometer, außer Benzin und wieder frischem TÜV mussten jedoch nur null Euro (in Zahlen: 0 Euro) investiert werden. Das ist mal ein Deal! Schlau ist deshalb, wer sich bei der Suche Zeit lässt: Schon allein Reifen, Kettensatz und TÜV, heute neu gekauft, würden den Einstandspreis nahezu verdoppeln. Und: Eine bei uns im Team gefahrene Ducati ist in der Wartung so teuer, dass man in drei Jahren jedes Jahr eine dieser Suzis hätte kaufen können. Und da ist der Wertverlust der Duc gar nicht berücksichtigt.

Um die Frage zwei zu beantworten – lohnt sich das im Alltag? – starten wir gleich zum Test. Aber zuerst eine Runde um das Bike. Es gab die 500er mit ihrem Zweizylinder-Reihenmotor in drei Leistungsstufen: 27, 34 und 48 PS. Unsere ist die goldene Mitte mit 34 Pferden. Das maximale Drehmoment von 34 Newton steht bei 4.600 Umdrehungen bereit. Von der Bauform her ist sie ein Naked Bike, obwohl es diese Bezeichnung damals gar nicht gab. Zu Bau- und  Lebzeiten der Suzuki GS 500E hieß es … Motorrad. Und jeder wusste in etwa, wie das Bike aussehen würde.

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Gebrauchtcheck für die Suzi

Über die lange Bauzeit änderte Suzuki vieles, aber die Grundform blieb gleich. Auch die sparsame Elektronik vermehrte sich nicht, außer Licht und Zündfunken ist die 500E analog bis in die Knochen. Das gilt ebenso für die analogen Instrumente aus Drehzahlmesser und Tacho, bei deren heutiger Beschreibung einem immer wieder das Wort „Retro“ in den Sinn kommt. Runde Scheinwerfer und die orangene Klötzchen-Blinker galten vor Jahren als schick.

Die Suzi kommt übrigens vielen nicht mehr ganz jungen Motorradfahrern irgendwie bekannt vor, wurde sie doch oft als Fahrschul-Moped eingesetzt. Da kommen nostalgische Gefühle auf.

Worauf sollte man speziell beim Kauf einer Suzuki GS 500E achten? Wir geben eine kurze Zusammenfassung, bitte beachten: Jeder dieser Punkte kann zum wirtschaftlichen Totalschaden führen:

  • Rost am Rahmen
  • Rost am Auspuff infolge schlechter Lackqualität
  • Rost im Tankinneren, vor allem bei den ersten Baujahren
  • Sturzschäden
  • Federelemente hinten serienmäßig lasch, schon mal erneuert?
  • Ölverlust am Motor. Schwitzen ist ok, Tropfen sind es nicht
  • Bei regelmäßiger Wartung errreicht das Triebwerk ohne Probleme Laufleistungen von über 50.000 Kilometern. In den ersten beiden Baujahren kamen jedoch manche Kinderkrankheiten wie ausgeschlagene Lager der Ausgleichswelle vor.
  • Die Maschine ist nicht vollgasfest. Mal locker den Vorbesitzer fragen ….
  • Heulende Getriebezahnräder kommen vor – Ausschlusskriterium!

Das alles hat die von uns gefahrene Suzi wie gesagt nicht. Sie stammt aus dem Baujahr 1996, hat also die wichtige Modellpflege 1992 hinter sich, weshalb sie verbesserte Federelemente trägt.

Und nun? Klar, losfahren.

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Fast wie eine modern Maschine

Der Motor springt sofort an (Choke nicht vergessen) und die Auspuffanlage gibt ein zufriedenes Bollern von sich, was auf wesentlich mehr als die tatsächlich vorhandenen 487 Kubikzentimeter schließen ließe. Ein Tester verglich das Geräusch gar mit den Lebensäußerungen eines Fischkutters. Nun ja, das mag jeder selbst heraushören. Sollte die Suzi langsam wieder absterben – Benzinhahn aufdrehen nicht vergessen. Dessen Reservestellung ersetzt die Tankuhr. Wie das früher eben so war.

Die Sitzposition ist mittelmäßig: mittel hoch, mittel sportlich, mittel bequem dank der straffen Sitzbank. Dafür ist die Suzi anders als viele moderne Naked Bikes voll soziustauglich, jedenfalls mit den verbesserten hinteren Federn. Der damals angesagte M-Lenker ist ziemlich schmal, wie das Bike insgesamt eher klein wirkt.

Der Start gelingt problemlos, kein Bedienelement ist schwergängig. Nach dem Warmfahren zeigt sich, dass die Leistung vor allem im mittleren und oberen Bereich zur Verfügung steht. Erstaunlich stabil zeigt sich das Fahrwerk: Japanische Motorräder dieser Epoche standen lange Zeit unter dem Generalverdacht, zwar leistungsfähige Triebwerke zu besitzen, diese steckten jedoch in instabilen Rahmen und laschen Fahrwerken. Bis auf die schon erwähnte zu weiche Dämpfung hinten zeigt sich unsere Suzi von ihrer besten Seite und zieht stabil ihre Bahn.

Was man wissen sollte: Die Bremsen, vorne nur eine Scheibe, waren damals auf der Höhe der Zeit, heute jedoch gehen sie maximal als mittelmäßig durch. Das ist deshalb so wichtig, weil die Fahrleistungen relativ gesehen zu heutigen Motorrädern schwach ausfallen, aber objektiv mit einer Beschleunigung von 0 bis 100 km/h von guten fünf Sekunden richtig flott. Zeitgenössische Supersportwagen wie der brutale Lamborghini Countach oder die ersten Porsche Turbo waren nicht schneller in der Nullhundert-Disziplin.

Wer noch ein paar Euro übrig hat, kann diese in eine bequeme Sitzbank investieren, denn die dünn und hart gepolsterte Serienbank ist wirklich nicht die erste Wahl.

Für Einsteiger? Nun ja ....

Was also bleibt? In unserem Fall ist die Frage, ob ein Motorrad für nur 900 Euro funktionieren kann, eindeutig mit Ja zu beantworten. Und mehr: Die kleine Suzi macht richtig Spaß. Natürlich merkt man ihr vor allem bei den Bremsen ihr Alter an, aber echte Mängel hat sie nicht. Wer billig Motorradfahren will oder muss, der hätte mit dieser Suzi lange Spaß für den schmalen Taler.

Zwei Dinge dazu: Es hat in unserem Fall geklappt, weil der Käufer sich genau informiert hatte, worauf er achten müsse. Nicht verschwiegen werden soll, dass eine Portion Glück nicht schaden kann: Sollte ein Vorbesitzer die Suzi oft kalt ausgedreht haben oder mit Vollgas über die Piste getrieben, wäre dieses Fazit wahrscheinlich nicht so positiv.

Das zweite ist der Begriff der Einsteigermaschine, das Maschinen wie der Suzuki GS 500E oft angehängt wird. Schon klar, man will nicht viel Geld ausgeben und erst mal Erfahrung sammeln. Aber ob man dies mit einem Motorrad tun sollte, dem jedes elektronische Sicherheitsfeature fehlt?

Das muss jeder mit sich ausmachen.

Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre

  • Preis: Im Jahr 2000: 4480€
  • Gebraucht ab 200 bis ca. 2.500€
  • Baujahre: 1988-2007
  • Verfügbarkeit: sehr gut
  • Farben: anfangs

    rot, schwarz, blau, weiß, später auch in purple und grün

Pro & Kontra
Pro:
  • Handlich
  • Niedrige Sitzhöhe
  • Alltagstauglich
  • Preis-/Leistungsverhältnis
  • Hervorragende Ersatzteillage
Kontra:
  • Keine elektronischen Helferlein
  • Rostanfällig
  • Hinten schwache Dämpfung
08.2020: Test: Suzuki GS 500E
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