Fotos: Motorradtest.de
Die BMW R12 steht seit Ihrer Vorstellung Ende 2023 ein wenig im Schatten der R12 nineT. Vielleicht, weil sie ein wenig schlechter ausgestattet ist, vielleicht aber auch, weil sie eher ein Cruiser ist als ein Roadster. Wir haben uns ein Testbike der R12 geschnappt und sind durch die Gegend gecruist. Hier unser Fahrbericht.
Bobber, Cruiser oder Roadster oder was?
Bei der ebenfalls neuen R12 nineT für 17.410 € ist die Einordnung noch recht einfach: Das ist ein Retro-Roadster. Aber die hier vorgestellte R12 ohne nineT ? Sicherlich irgendwo auch ein Retro-Roadster, aber noch viel eher ein Cruiser mit Bobber-Anleihen. Egal, wir einigen uns auf Cruiser wegen der Optik und vor allem wegen des Heckfenders und dem Solositz. Unsere Testmaschine war übrigens mit dem Sozius-Paket ausgestattet, daher auch die Sitzbank mit Soziussitz und Beifahrer-Fußrasten. Erhältlich ist die R12 in drei Farben: Schwarz, Rot und Silber. Standard ist die schwarze Version, die rote kostet 620 Euro Aufpreis und die Option 719 in "Avus Silver" mit Fräspaket und spezieller Abgasanlage kostet happige 2.165 Euro Aufpreis. Lasst das Geld stecken und nehmt die Schwarze, die ist eh am coolsten.
Dreimal R12, dreimal schön. Wir würden das kleine Schwarze nehmen.
Abmessungen und Sitzprobe
Nicht ganz so Cruiser-typisch ist bei der R12 die Position der Fußrasten. Genau wie bei den R18 Modellen müssen diese aufgrund der breit bauenden Boxerzylinder mittig platziert werden. Lässig weit vorne die Beine ausstrecken bleibt also den US V2-Cruisern vorbehalten.
Trotzdem sitzt man irgendwie auch auf der R12 lässig: Leicht gebückt im Quasimodo-Style, was sich schlimm anhört, aber gut anfühlt. Der Lenker ist Richtung Fahrer gekröpft und die Sitzhöhe von nur 754 mm macht es quasi jedem Fahrer leicht, die Füße sicher auf den Boden zu bekommen. Aufgefallen ist uns, dass sich die R12 trotz ihres Gewichts recht einfach rangieren lässt. Der Gesamteindruck beim Aufsitzen: Cooles und großes Bike. Der Blick nach hinten ist gut, kann also losgehen.
So sitzt es sich auf der BMW R12.
360 Grad Rundgang um die BMW R12
Technik der BMW R12
Die R12 kommt in Sachen Cockpit in Serie mit einem schönen analogen Rundinstrument mit zusätzlichem LC-Display. Optional gibt es auch noch ein digitales Display, auf das wir hier aber nicht weiter eingehen wollen, weil unserer Meinung nach die analoge Uhr hier viel besser passt.
Die Serienausstattung der R12 ist nicht übel: Es gibt die beiden Fahrmodi "Rock" und "Roll" (Standard und Regen), Keyless Ride, Kurven-ABS, Motorschleppregelung und eine dynamische Traktionskontrolle. Optional erhältlich sind zudem Heizgriffe, QuickShifter, Tempomat und eine Hill-Start-Control. Alles zusammen kostet im Komfortpaket 1.010 Euro und wird vermutlich von 99% der Käufer geordert.
Ebenfalls optional gibt es das Kurvenlicht, welches wir aber für verzichtbar halten. Die Serie hat Voll-LED inkl. Tagfahrlicht und LED-Blinker. Hinten ist das Rück- und Bremslicht in die Blinker integriert, was wir nicht so toll finden, weil man beim Bremsen kaum noch die Blinkerei erkennen kann.
Weiter aufrüsten kann man die R12 mit Speichenrädern, Reifendruck-Kontrollsystem, Connected Ride, Sozius-Paket etc. - aber bitte immer den Kontostand im Auge behalten!
So fährt sie sich
Der Sound der R12 ist für uns ein echter Ohrenschmaus. So herrlich topfig klingt nur der luft/ölgekühlte Boxer, da können die neueren Wasser-Boxer unserer Meinung nach nicht mithalten. Wer es nicht glaubt: Soundcheck rechts oben.
BMW sagt zur R12 übrigens: "Du musst nicht von California träumen. Dieser aufregende Cruiser holt Dir diese einzigartige Lässigkeit direkt vor die Haustür." Ob das wohl stimmt? Probieren wir es doch mal aus, also ab auf die Piste. Fährt sich die R12 genauso lässig, wie sie aussieht und wie BMW behauptet?
Jawoll, das tut sie. Schon beim Anlassen begrüßt uns der Lufti-Boxer mit dem wohligen Hin- und Herschütteln wie aus den 60ziger Jahren. Der Motor ist ganz klar der bestimmende Faktor bei der R12. Alles andere funktioniert zwar auch ganz wunderbar, wirkt neben dem kraftvollen Vorschub aber eher nebensächlich. Obwohl die R12 ja "nur" 95 PS im Datenblatt stehen hat, geht sie ab wie Schmidts Katze. Die Leistung ist hier nämlich ebenfalls eher Nebensache, auf das Drehmoment kommt es an! Und davon gibt es reichlich 110 Nm bei schon 6.000 Umin. Sollte es noch jemanden geben, der noch nie eine Maschine mit diesem Motor gefahren ist: Bitte tue uns und Dir den Gefallen und probiere das mal aus.
Der luftgekühlte Boxer mit leider nicht mehr ganz so schönen Ventildeckeln. Egal, trotzdem eine Granate!
Fahrwerksseitig gibt es bei der R12 auch nichts zu meckern. Die R12 fährt genauso, wie man es von ihr erwartet. Sie liegt dank des langen Radstandes von 1,52 m stabil auf der Platte und lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Die nicht einstellbare Marzocchi Upside-Down Gabel mit einem 45mm Standrohr-Durchmesser bietet einen Federweg von lediglich 90 mm. Das direkt angelenkte Monofederbein hinten kann in Zugstufe und in der Federvorspannung hydraulisch per Handrad eingestellt werden, der Federweg liegt hier ebenfalls bei nur 90 mm.
Bei veritablen Schlaglöchern gibt es dann auch einen spürbaren Schlag in den Nacken, bei normalen Straßenverhältnissen benimmt sich die R12 dagegen sehr komfortabel. Sie ist für einen Cruiser mit 227 Kilogramm Gewicht sogar recht leicht. Die wülstigen Reifen (19 Zoll vorne, 16 Zoll hinten) unterstützen das wohlige Fahrgefühl, sorgen allerdings auch dafür, dass die R12 nicht als der neue Kurvenräuber aus Bayern in die Geschichtsbücher eingehen wird. Das will sie allerdings auch gar nicht, denn ihr natürliches Habitat ist nicht die Renne, sondern die Landstraße - und zwar eher im lässigen Schongang.
Auch lässig: Radial montierte Brembo Monobloc 4-Kolben-Festsättel mit Kurven-ABS. Bremst super!
Wer es mal brennen lassen will, dreht den Motor maximal bis 6.000 Umin, danach lässt der Schub nach. Das ist dann auch einer der Unterschiede zur R12 nineT, die obenrum durchaus weitere Leistung abgibt. Aber mal ehrlich, wer will denn diesen schönen Motor so quälen? Wenn man das dann doch mal gemacht hat und in der Ferne eine rote Ampel auftaucht, freut man sich über die hervorragenden Bremsen. Vorne beißen radial montierte Brembo 4-Kolben Monobloc Festsättel in 310er Doppelscheiben. Na klar bremst dieses Motorrad gut! Und nicht nur die absolute Verzögerung stimmt, auch die Dosierbarkeit und die Bremskraft sind überzeugend. Dazu kommt das bekannte BMW Integral Pro Bremssystem, also auch hier alles roger.
Gibt es denn überhaupt nichts zu meckern an diesem Bike? Doch, natürlich. Die Fußrasten waren mir im Stehen oft im Weg und der QuickShifter, der an unserer sehr gut ausgestatteten Testmaschine dabei war, ist mir immer noch zu ruckelig. Bitte kommt mir jetzt nicht wieder mit "Du hast die Funktion eines QuickShifters wohl nicht verstanden..." - doch, habe ich. Und ich bin schon sehr viele QuickShifter gefahren, die sich wesentlich smoother schalten lassen. Bei den BMW-Boxermodellen (auch an der GS) ruckelt es aber auch dann, wenn man sich an die QS-Regeln hält. Ganz ehrlich: Ich würde den "Schaltassistent Pro" - wie BMW ihn nennt - weglassen. Spart Geld und außerdem braucht ein Cruiser das auch nicht. Ich will damit schließlich cruisen und keine Rundenrekorde aufstellen.
BMW gibt auf die R12 drei Jahre Garantie. Der Service ist alle 10.000 fällig oder einmal pro Jahr. Als Wettbewerber fallen mir folgende Bikes ein: Indian Scout (Bobber), Triumph Bonneville Speedmaster, Honda CMX 1100 Rebel und Harley Davidson Nightster Special. Klicke auf den folgenden Link für einen Vergleich.