MV Agusta Brutale 1000 RS im Test

208 PS bei lediglich 186 kg Gewicht - noch Fragen?

MV Agusta Brutale 1000 RS Fotos: Motorradtest.de

Die MV Agusta Brutale 1000 RS ist die etwas alltagstauglichere Schwester der Brutale 1000 RR mit höherem Lenker und einer bekömmlicheren Streetfighter Sitzposition. Was passiert, wenn 208 PS auf eine Maschine mit 186 kg Gewicht treffen, schildern Volker und Dietmar nach einer Probefahrt. Mittlerweile hat sich unser Adrenalin-Pegel auf den Normalwert eingepegelt.

Achtung, Gefahr!

Wer keine 25.000 Euro übrig hat, sollte jetzt nicht weiterlesen - denn soviel kostet der fleischgewordene Traum eines jeden Italobike-Liebhabers. Zum Vergleich: Eine Ducati Streetfighter V4 kostet knapp 20.000 Euro und die anderen Wettbewerter von Triumph, KTM, Yamaha und BMW pegeln sich zwischen 15.000 und 18.000 Euro ein. Die MV ist also kein Schnapper, ist dafür technisch allerdings auch komplett ausgestattet, aber dazu kommen wir später.
 
 
Beginnen wollen wir mit der Sitzposition der RS und die fällt klassisch Streetfighter mäßig aus. Man sitzt aufrecht vor einem sehr breiten Lenker und auch die Fußrasten sind anders als bei der Brutale 1000 RR nicht zu weit hinten montiert. Kniewinkel, Knieschluss etc. fallen kommod aus. Auch die Sitzhöhe von 845 mm hört sich höher an, als es sich anfühlt. Man sitzt wunderbar versammelt und vorderradorientiert auf dem Bike. Den  Soziusbetrieb schweigen wir einfach weg. Der Beifahrer hat die Knie zwischen den Ohren, da sich seine Fußrasten fast auf Tankhöhe befinden. Aber mal ganz ehrlich: Wer will auf dieser Maschine schon zu zweit fahren? 
 
So aufrecht sitzt man auf der MV Agusta Brutale 1000 RS.

 
Es gibt die Maschine in Grau und Rot. Sie sieht schon auf den Fotos aus wie eine Raubkatze vor dem Sprung. Nicht ohne Grund lautet der MV Werbeslogan "Muscle at any angle". Stellt man die Sprache auf der MV-Webseite um auf Deutsch wird daraus "Markantes Design von allen Seiten". Beide Sprüche treffen den Nagel auf den Kopf: Gerade diese Maschine ist eine Augenweide. Durch den hochgelegten Auspuff und der Einarmschwinge liegt das Hinterrad komplett frei. Viele kleine Details wie die Winglets, die Luftdurchlässe am Heck oder der Hinterrad-Schnellverschluss unterstreichen den Rennsport-Anspruch.
 MV Agusta Brutale 1000 RS in rot
 
 
Einarmschwinge

360 Grad Rundgang um die MV Agusta Brutale 1000 RS

Lampen vorne Lampe hinten Cockpit

Das soll sie können

Die RS ist technisch voll ausgestattet. Es gibt Schräglagensensorik, Abhebeerkennung für Vorder- und Hinterrad, TFT-Farbdisplay, Tempomat, Launch-Control und Connectivity für das Smartphone. Dank der "MV My Ride" App kann der Fahrer sämtliche Einstellungen entweder am Bike oder eben per Smartphone vornehmen - und von diesen Einstellungen gibt es wirklich viele. 

Richtig klasse finden wir das Leuchten-Design der MV Agusta Brutale 1000 RS. Vorne grüßt ein Scheinwerfer im Porsche-Look mit LED-Tagfahrlicht, welches sich per Extra-Schalter auf Abblendlicht umschalten lässt. Das Rücklicht ist sehr breit durch den Luftdurchlass wirkt das Ganze wie eine UFO-Beleuchtung. Sämtliche Lichter inkl. der Blinker sind mit LED-Technik versehen. 

Die Bedienung erfolgt über einen einzigen (!) Kipp- und Druckschalter links. Das funktioniert überraschend einfach, auch wenn dank der vielen Optionen anfangs noch die richtige "Menüseite" gefunden werden muss. Die Ablesbarkeit des spiegelnden Displays ist gut, auch wenn - typisch italienisch - die Zahlen teilweise etwas verspielt klein & kursiv dargestellt werden.

Brutale 1000 RS seitlich

So fährt sie sich

Diese Fahrmaschine will bewegt werden, und genau das tun wir jetzt auch. Schon beim Anlassen läuft der erste Schauer über den Rücken - gefolgt von einem Käfer, der mir in die Jacke gefallen ist, aber das stört mich jetzt nicht weiter. Ich genieße den Sound des Reihen-Vierers, der sich allerdings anders anhört und auch anders fährt, als man das von typischen Reihenvierern gewohnt ist. Der Sound ist rau & räudig, rechts oben gibt es einen Audio-Soundcheck, viel Spaß mit der eigenen Gänsehaut.



 
Schon auf den ersten Metern fällt die Leichtigkeit des Bikes auf. Sie ist dank kurzem Radstand wendig, ohne dabei kippelig zu wirken. Der Motor gibt sich gar nicht so radikal, wie wir das befürchtet haben. Zumindest kann man auch niedertourig fahren, ohne dass die Kette schlägt oder der Motor sich undankbar räuspert. Beim Gaswegnehmen gibt es herrliche Sprotzer-Sounds mit kleinen Knalleffekten - herrlich. Die Leistung der RS ist - wenn man es will -  aber dennoch Brutale: Die Maschine geht derartig nach vorne, dass einem der Mund trocken wird. Es versuche gar nicht erst, dies weiter zu beschreiben: Da hilft einfach nur eine Probefahrt. Zum Beispiel bei Bergmann & Söhne in Hamburg, die uns das Testbike geliehen haben und wo auch ihr zwecks Probefahrt mal vorsprechen solltet.
 
Ein wenig polarisierend ist das Getriebe. Es ist teilweise etwas hakelig, der Leerlauf lässt sich anfangs nicht so leicht finden und man benötigt einen Moment, um sich an die Schaltung zu gewöhnen. Macht aber nichts, denn das Bike hat natürlich einen gut funzenden QuickShifter inkl. Blipper. Beim Runtertippen gibt die Maschine ganz kurz Zwischengas und auch das Hochschalten ohne Kupplung gelingt perfekt und ohne große Ruckelei. Das Fahrwerk war bei unserem Testbike perfekt eingestellt. Die hochwertige und voll einstellbare Marzocchi USD-Gabel gibt reichlich Rückmeldung über die Fahrbahnbeschaffenheit und ermöglicht tüchtiges Angasen. Trotzdem fährt sich die RS dabei nicht unkomfortabel. Für eine Italienerin würden wir fast schon von äußert komfortabel sprechen. Das haben wir anders erwartet und freuen uns, mit der RS auch bei Tempi unter 300 km/h richtig Spaß zu haben. MV rühmt sich übrigens damit, dass die RS mit über 300 km/h das schnellsten Serien-Nakedbike ist. Schön, aber wer bitte will auf einem Motorrad ohne Windschutz so schnell fahren? Egal, beim Quartett sticht die RS jedenfalls alle anderen Power-Nakeds locker aus.
 

Fazit - was bleibt hängen

Mann, Mann, Mann, was für ein Motorrad. Die MV Agusta Brutale 1000 RS ist ein herrlich eigenständiges Bike mit Ecken und Kanten. Typisch italienisch steht bei ihr Style und die Fahrerei im Vordergrund. Da sieht man über die eine oder andere Eigenart hinweg und freut sich, dass man kein Einheitsbrei fährt, sondern italienische Motorradbaukunst vom Allerfeinsten. Kunstvoll ist vor allem die Optik, an der wir uns einfach nicht sattsehen konnten.
 
Schade, dass wir die Leihmaschine nach einem halben Tag Heizerei auf den Landstraßen von Schleswig-Holstein und einer kurzen Autobahn-Etappe wieder bei Bergmann & Söhne in Hamburg am Nedderfeld  abgeben mussten. Trotzdem sind wir dankbar für diese Erfahrung und können allen potentiell kaufwilligen nur zu einem Besuch bei B&S raten. Selbst wenn man nicht fahren will, lohnt sich ein Blick in den 1. Stock: Hier stehen sie, die Schätzchen aus Varese. Auch eine RR und die noch schönere Superveloce in mehreren Farben. Ich glaube, ich fahre da morgen nochmal hin...

Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre

  • Preis: 25.500€
  • Verfügbarkeit: seit 2021
  • Farben: rot, grau
Pro & Kontra
Pro:
  • Sound direkt aus der Hölle
  • Leistung satt
  • Optik zum Niederknien
  • schöne Details
  • Spitzenfahrwerk, spielerisches Fahrverhalten
  • Technik 'volle Hütte' mit wirklich allem, was es derzeit so gibt
  • Handy-Connectivity mit App und Navi
Kontra:
  • Getriebe etwas hakelig
  • an manchen Stellen etwas lieblos
  • Bremsweg länger als nötig, vermutlich wegen Abhebe-Control
05.2022: MV Agusta Brutale 1000 RS im Test
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