Harley Davidson LiveWire im Test

Das erste Elektro-Motorrad von Harley Davidson

Harley-Davidson LiveWire im Test Die Harley Davidson LiveWire ist nicht nur das erste Elektro-Motorrad von Harley, sondern auch das erste Elektro-Motorrad eines Großserien-Herstellers. Wie sie sich fährt und was ein Elektro-Motorrad von normalen Verbrennern unterscheidet haben Volker und Dietmar bei ihrer Testfahrt erfahren.

So steht sie da

Das soll eine Harley sein? Wo ist der V2? Wo ist der fette Doppel-Auspuff? Alt eingesessene Harley-Fans dürften die LiveWire als eine echte Zumutung empfinden. Insofern ist es schon erstaunlich, dass sich gerade Harley-Davidson als der erste etablierte Hersteller in das Wagnis Elektro-Motorrad wagt. Klar, es gibt schon längere Zeit Zeros und Energicas, aber das sind neue Unternehmen, die sich von Anfang an in dieses Abenteuer gestürzt haben. Honda, Yamaha, KTM, BMW & Co.? Bislang Fehlanzeige.

 
Natürlich hat das seinen Grund: Elektro-Motorräder sind teuer in der Entwicklung und das spiegelt sich auch im Kaufpreis wider. Die LiveWire kostet knapp 33.000 Euro. Uff. Das zweite Problem ist die im Vergleich zu Verbrennern beschränkte Reichweite. Harley gibt diese bei der LiveWire mit 150 km bis 235 km an. Das ist für den 15,5 kWh Akku gar nicht mal schlecht, aber im Vergleich zu klassischen Motorrädern eben doch reichlich wenig. Und was mache ich, wenn der Akku alle ist? Aufladen. Okay, aber das dauert selbst an einer Schnellladestation mindestens 40 Minuten. Wobei das eigentlich gar kein schlechter Wert ist, aber im Vergleich zum Tanken eben doch eine echt lange Kaffeepause. Trotzdem ist es löblich, dass der CCS-Lader an der LiveWire serienmäßig dabei ist. Mit dem Schucostecker (auch dabei und unterhalb der Sitzbank untergebracht) dauert das Laden an einer normalen Steckdose eine ganze Nacht.

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Das soll sie können

Die Ausstattung der LiveWire lässt keine Wünsche offen. Es gibt eine 6-Achsen IMU von Bosch, die das Motorrad in allen möglichen Lagen überwacht. Diese Technik ermöglicht das Kurven-ABS, eine schräglagenabhängige Traktionskontrolle, eine Abhebekontrolle des Vorderrads usw. "RDRS" nennt Harley sämtliche Systeme, die Schlupf und alles andere in den Griff kriegen soll. Das ist auch bitter nötig, doch dazu kommen wir später...
 
Auch alle anderen Komponenten der Maschine wie Showa-Fahrwerk (voll einstellbar) und Bremsen sind 1a. Die Maschine hat einen wartungsarmen Riemenantrieb, eine schön gemachte Zweiarmschwinge aus Leichtmetall und einen Seitenständer. Da wir hier von einem Naked-Roadster sprechen verbietet sich ein Hauptständer. 

Man sitzt auf der LiveWire aufrecht und leicht nach vorne geneigt. Die Fußrasten sind auffällig hoch und ein wenig nach hinten versetzt, so dass sich automatisch eine recht sportliche Sitzposition ergibt. Natürlich kann man die Harley auch mit seinem Smartphone verbinden und dann per App einiges anstellen, zum Beispiel Musik abspielen, Telefonanrufe annehmen und Navigieren. Sogar an die Sprachsteuerung hat Harley gedacht. Hier hatten die Ingenieure wohl weniger die alten Harley-Hasen im Auge, sondern eher jüngere Leute, die sich ohne Smartphone nicht mehr aus dem Haus wagen.

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So fährt sie sich

Bevor wir losfahren, nochmal ein kurzer Satz zur Bedienung. Diese ist okay, aber man braucht schon eine gewisse Zeit, um die Funktionen der vielen Schalter zu verstehen. Überraschung: Die Bedienelemente unterscheiden sich kaum von denen einer Road Glide. Okay, dann lassen wir den Motor mal an - ach ne, wir fahren das System hoch - das passt wohl eher.


Das farbige 4,3 Zoll Farb-TFT zeigt "0 km/h" an, was nichts anderes bedeutet als: Jetzt kann es losgehen. Wir starten bei nasser Fahrbahn lieber erst einmal im Regenmodus. Die LiveWire hat insgesamt sieben Fahrmodi, davon vier vorkonfigurierte und drei frei einstellbare. Der Regenmodus ist leistungsreduziert und die Traktionskontrolle und die Wheelie-Control arbeitet extrem sensibel - genau das Richtige für die ersten paar Meter.

Später wird es dann glücklicherweise trocken und wir gehen in den Sport-Modus - und Volker erlebt sein blaues Wunder. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h erledigt die Maschine in 3 Sekunden - mehr geht physikalisch ja auch kaum und das können kräftige Verbrenner auch. Aber beim Durchzug von 60 auf 100 km/h trennt sich dann die Spreu vom Weizen und die LiveWire fährt allen davon. In sage und schreibe einer guten Sekunde bewältigt sie unseren Durchzugstest. Das Gehirn hinkt dabei stets ein wenig hinterher und sortiert sich erst wieder an seiner gewohnten Stelle ein, wenn man zum Stehen kommt. Das ist Wahnsinn!
 
Gleich nochmal! Und nochmal, und nochmal. Das macht süchtig und richtig Spaß. Allerdings müssen wir uns immer wieder daran erinnern, dass es auf den meisten Straßen leider eine Geschwindigkeitsbegrenzung gibt. Man fährt mit der LiveWire ständig am Limit und das hat zwei Gründe: A) die eben beschriebene affenartige Beschleunigung und B) der (nicht vorhandene) Sound! Den Sound der LiveWire beschreiben die Gegner von Elektro-Motorrädern, von denen es noch sehr viele gibt, wahlweise als Staubsauger, Straßenbahn oder Raumschiff. Elektro-Befürworter, von denen es bislang kaum welche gibt, betonen die "Leisigkeit" diese Motorrads. Tiroler Anwohner jedenfalls dürften sich freuen, wenn zukünftig mehr von diesen Bikes durch die Gegend düsen - man hört sie kaum, was allerdings auch nicht gerade ungefährlich für andere Verkehrsteilnehmer sein dürfte. Witziger Punkt: Die Harley pumpt kaum wahrnehmbar im Stehen wie ein Herzschlag. Das soll einen wohl daran erinnern, dass das Bike loslegt, wenn man am Gasgriff dreht. 

Ansonsten fährt sich die LiveWire ähnlich wie andere Roadster. Die Brembo-Bremsen packen ordentlich zu und das Showa-Fahrwerk macht einen sehr guten Job. Unsere Testmaschine war hinten ein wenig straff eingestellt, aber das kann man mit einem Schraubendreher und ein paar Klicks nach links ganz leicht ändern. Überraschend eigentlich, dass das Fahrwerk nicht elektronisch verstellbar ist. Naja, die LiveWire ist ja auch so schon nicht gerade ein Schnäppchen.

Fazit - was bleibt hängen

Elektro-Motorrad fahren ist ein bisschen wie Auto-Scooter fahren. Draufsetzen und "Gas" gegen. Kein Getriebe, keine Kupplung, keine Schalterei, kein Motor ruckelt, kein Sound, kein Gestank, keine Wärmeabgabe, kein Auspuff, kein Gar nichts. Wie sich das live anfühlt, kann man nur ganz schwer beschreiben. Wir waren davon einerseits fasziniert, andererseits ist es tatsächlich für alteingesessene Biker quasi ein Kulturbruch. Daran muss man sich erst gewöhnen.

Dennoch sind wir uns sicher: Es wird zukünftig mehr Elektro-Motorräder geben. Es wird wohl aber auch noch eine ganze lange Zeit lang Verbrenner geben. Warum sollten auch nicht beide Technologien parallel existieren können? Wir sind jedenfalls jedes Mal darüber überrascht, mit welcher Wucht gerade die Gegner von Elektro-Fahrzeugen ihre Meinungen über solche Maschinen in die Tasten hauen. Siehe Kommentare zu unserem Test auf YouTube. Jungs, bleibt entspannt, niemand zwingt Euch dazu, solche Bikes zu kaufen.

Die Test-Maschine wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Harley-Davidson Hamburg.

Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre

  • Preis: 33.000€
  • Gebraucht (1 Jahre alt): 30.000€
  • Verfügbarkeit: seit 2019
  • Farben: schwarz, gelb, orange
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