Test: Indian Scout Bobber
Maximal reduziert
So ein richtiger Bobber ist ein Cruiser, klar. Aber anders als normale Cruiser muss er reduziert sein. Im Falle unseres Testbikes fehlt sogar der Soziusplatz. Dafür ist alles versammelt, was für die Runde um den Block dazugehört, vor allem dieser phantastische Motor. Der Test klärt, was die Indian Scout Bobber sonst noch drauf hat.
Wie aus dem Bilderbuch
Bilder können nur unvollständig wiedergeben, wie niedrig dieses Bike tatsächlich ist. Knapp über einen Meter Höhe zeigen die Daten. Dazu hat sie das, was die Amerikaner „stance“ nennen. Die passende Haltung, einen festen Stand, eine starke optische Präsenz.
Wer genauer hinschaut entdeckt, wie die Amis das hinbekommen haben. Fette Räder, grob geschnitzte Pirelli MT60RS-Reifen, ein Rahmen, der wirkt, wie aus dem Vollen gefräst, die abfallende Tanklinie, die sich bis zur Aufhängung des Hinterrades zieht. Die steht da. Nochmal zum Rahmen: Dieser sieht auf den ersten Blick aus wie ein Starrrahmen, mithin hätte die Indian keine Federung hinten. Gemach, sie federt natürlich, dies ist ein optischer Trick.
Alles zahlt maximal auf die Reduktion ein, die in Wahrheit gar nicht stattfindet. So finden sich überall an dem Motorrad kleine, aber liebevolle Details. Dazu gehören die Gummis der Stereo-Dämpfer am Hinterrad, die einen feinen Indian-Schriftzug tragen. Oder die jeweils zwei runden Plaketten am Motor dort, wo die Nockenwellen wären, wenn man hineingucken könnte. Die Indian Scout Bobber ist nicht reduziert, sieht aber so aus.
Unser Testbike mit Extras ohne Ende
Der Motor selbst ist das Herzstück dieser Indian. Die reinen Daten sind dabei gut, aber nicht sensationell. 94 PS schieben nach vorne, aber wichtiger ist das Drehmoment, welches der 1.133 Kubik große V2 produziert. 97 Newton kommen zusammen, bei 5600 Umdrehungen. Bei unserer Maschine entweichen die Abgase durch einen Penzl-Klappenauspuff, der das dumpfe, basslastige Geräusch verstärkt. Und 2.500 Euro Aufpreis kostet. Oha. Insgesamt stecken in dieser Indian über 7.000 Euro an Extras, verteuern die Indian von ihrem Basispreis von 14.490 Euro also um weitere 50%.
Der Klopftest bringt es zutage: Was wie Metall aussieht, ist aus Metall. Und was lang ist, ist auch lang, denn die Indian Scout Bobber kommt auf eine Länge von 2,27 Meter. Wiegen tut sie natürlich auch, gar nicht so viel wie man annehmen würde: 261 Kilo vollgetankt und ablegebereit.
Dann mal los, der Highway wartet.
Alles easy
Der Motor springt sofort an, irgendwie würde man jetzt ein schlürfendes Ansaggeräusch wie früher von einer Vergaserbatterie erwarten. Dank Einspritzanlage gibt es das nicht, aber die Lebensäußerungen im Stand deuten an, was später passieren wird: Sie ist nicht laut, dafür dumpf und jederzeit gut vernehmbar.
649 Millimeter beträgt die Sitzhöhe, in diesem Falle also eher eine Sitztiefe. Selbst für Bobber-Verhältnisse ist das wenig. Das in Kombination mit den weit vorn montierten Fußrasten bringt einen fast nicht vorhandenen Kniewinkel mit sich. Der Lenker ist breit, aber nicht zu weit vorne montiert. Fertig ist die maximal lässige Bobberhaltung des Piloten.
Das Rundinstrument, welches man trotz integrierten Display für den Bordcomputer klassisch nennen möchte, zeigt die Geschwindigkeit analog an. Über den Rest, unter anderem die Drehzahl, informiert die Indian digital. Was im Falle der Drehzahl in 50er-Schritten das von uns oft kritisierte Ablesen erschwert. Die gute Nachricht zeigt sich gleich nach dem Start, denn die jeweilige Drehzahl ist völlig egal, genug Wumms ist immer vorhanden. Viel anzuzeigen gibt es übrigens nicht, denn die Indian kann an modernen elektronischen Helferleinen nur ein ABS vorweisen. Ihr einziges Fahrporgramm ist fest in ihre DNA eingebrannt, so tief, dass es nie wieder herauskann. Es heißt: Bobbern, also lässiges Cruisen.
Die Bobber fährt sich völlig unproblematisch, wenn man eine Sache beachtet. Schräglagen, tja, das ist nicht so ihrs. Sie könnte es vom Fahrwerk her oder den Reifen, wenn da nicht bei 29 Grad Schräglage Schluss wäre. Auf der rechten Seite würde der teure Auspuff über den Asphalt schrappen.
Der Indian-Motor prägt die Indian Scout Bobber mehr als bei anderen Fabrikaten. Das ist uns schon bei der Indian FTR aufgefallen, wie gut die Triebwerke mit der jeweiligen Maschine harmonieren. Hier zeigt der V2 niemals eine anstrengende Seite, er will den Piloten zu nichts animieren. Erstaunlich gut ist, dass er trotz seiner drehmomentlastigen Auslegung oben herum nicht zugeschnürt wirkt. Ein sportlicheres Motorad als eine Bobber würde er also auch auf Trab bringen. In der Realität lässt man solche Sperenzchen nicht nur wegen der geringen Schräglagenfreiheit oder den nicht eben übermotivierten Bremsen schnell sein. Viel besser passt die lässige Betriebsamkeit zur Indian – sie kann alles, muss aber nichts. Das bezieht die Bobber leider auch auf ihre Hinterradfederung. Nur 51 Millimeter Federweg können naturgemäß keine Wunder vollbringen, und das tun sie denn auch nicht. Kurze Stöße kommen deutlich spürbar durch.
Ein gutes Angebot
Auch wenn in mein privates Beuteschema keine Bobber passen würde, so ist diese auf jeden Fall eine gute Wahl. Sie ist im klassischen Sinne schön und kleidet den Besitzer auf das Allerfeinste. Für diesen Motor und die feinen Materialien sind die aufgerufenen 14.490 Euro ganz bestimmt nicht zu viel. Obwohl sie maximal reduziert ist, bekommt man bei der Indian Scout Bobber eine ganze Menge Gefühl für sein Geld.
Das Testbike wurde uns von Legendary Motorcycles in Hamburg zur Verfügung gestellt.
Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre
- Preis: 14.490€
- Gebraucht: 13.500€
- Baujahre: seit 2018
- Verfügbarkeit: mittel
- Farben: schwarz matt & metallic, blaumetallic, bronze smoke, weiß smoke