Test: Husqvarna 701 Enduro
Mal ganz was anderes
Enduros sind fürs Gelände gedacht, schon klar. Aber sie sind im Zweifel viel cooler als Adventure-Bikes. Gebraucht stehen sie hoch im Kurs, das gilt nicht nur für Allzeit-Klassiker wie die Yamaha XT 500. Diese ganzen Enduros fahren doch nicht alle im Gelände? Wir haben diesen Enduro-Test mal ganz anders aufgezogen, die Husqvarna 701 Enduro musste sich in der Stadt, auf Landstraße und Autobahn, aber nicht im Gelände bewähren.
Cool? Aber sicher!
Die Frage aller Fragen lautet heute scheinbar, was Greta Thunberg zu Ernährung, Klima oder dem richtigen Transportmittel nach New York sagen würde. Der letzten Frage sehen sich Motorradfahrer heute ebenfalls ausgesetzt, nur ungleich schwieriger zu beantworten: Was würde Mr. Cool alias US-Schauspieler Steve McQueen heute fahren? Bekanntlich war der furchtlose Recke viel mit Scamblern unterwegs, einer Vorform der Enduro. Letztens las ich, dass McQueen solcherlei Gerät sogar für das Umfeld seines Films "Le Mans" bevorzugte – Scrambler und Rennstrecke?
Ohne uns mit IHM vergleichen zu wollen – aber eine Enduro unartgerecht zu bewegen, das können wir auch. Obwohl das ganze Unterfangen "richtige Enduro fahren" nicht mehr so einfach wie früher ist: Geht man heute zum Yamaha-Händler, wird einem die Téneré empfohlen, bei Honda wäre es die Africa Twin. Beides hervorragende Bikes mit viel Talent abseits der Straßen – aber irgendwie nicht richtig. Zu groß, zu schwer, zu irgendwas.
Rettung aus höchster Not versprechen die Schweden. Die Husqvarna 701 Enduro ist genau das Richtige. Da ist nichts Überflüssiges dran und drin, selbst ein Drehzahlmesser hielt man im Hohen Norden für überflüssig (jaja, schon klar: Husqvarna gehört zu KTM, deshalb werden die Huskys in Österreich gefertigt. Aber hier passten die Fake News einfach besser in den Artikel).
Kurz, aber hoch
Elektrik und Elektronik? Licht gibt’s vorn und hinten, Blinker auch, sogar seitlich, im übrigen wird noch die einsame Zündkerze mit Strom versorgt. Ziemlich basic das Ganze, für uns also genau richtig. Die Husky ist klein, kompakt und leicht (voll 158 Kilo). 13 Liter fasst der Tank, gegen Aufpreis gibt’s ein zweites Spritreservoir, dann stehen insgesamt 25 Liter zum Verfeuern bereit.
Jetzt mal nicht lang gefackelt, sondern auf in den Anti-Dschungel all dessen, was alphaltiert ist. Doch, was ist das? Die 701 Enduro sortiert eine ganze Reihe Menschen schon vor dem Start aus. Hochgebaut ist im Gelände besser, deshalb ist die Sitzhöhe mit 920 Millimetern sehr hoch. Kurzbeinige oder kleine Menschen? Müssten Stützräder anbauen, was die angestrebte Coolness etwas beeinträchtigen würde.
Reicht die Beinlänge, gibt es auf dem klitzekleinen LC-Display nicht viel, was einen ablenken könnte. Dann ignorieren wir das mal. Also los.
Autobahn? Eher nicht ...
Das geht völlig unproblematisch. Der Motor mit 690 Kubik und 75 PS muss mit leicht erhöhtem Gas angefahren werden, das ist bei Einzylindern eben so. Fahren in niedrigen Drehzahlen ist irgendwie nicht so sein Ding, er quittiert solcherlei Behandlung mit Ruckeln. Doch mit mehr Drehzahl geht es zügig voran und jetzt wandelt sich der Sound von unauffällig zu energisch.
75 PS sind für eine Enduro theoretisch viel. In der Realität ist das nicht anders. Was dem einen zu niedrig für sein Straßenbike erscheint, zieht richtig kräftig an. Man mag es kaum glauben: Wer im Sechsten immer weiter Vollgas gibt, fährt nach längerem Anlauf über 190 km/h schnell. Wir wollten es ja unvernünftig, aber hier kommt der ultimative Tipp für diejenigen Motorradfahrer, die im nächsten Jahr und nicht erst im nächsten Leben ihre Runden drehen möchten: Lasst das sein. Fehlenden Windschutz kennt man von Naked Bikes, und die aufrechte Sitzhaltung auf der Husqvarna 701 Enduro mit ausgebreiteten Armen macht nichts, aber gar nichts besser. Dazu kommen der kurze Radstand sowie die grobstollige Mischbereifung, die vor allem das Vorderrad in Unruhe versetzen – Fahrspaß geht irgendwie anders.
Auf der Landstraße ändert sich das Bild komplett. Hier macht‘s einfach Spaß, die kräftige Maschine animiert zu Zwischensprints und die leicht kippelige Abstimmung fällt nicht ganz so auf. Der Komfort ist durch die langen Federwege des voll einstellbaren Fahrwerks gut, die Sitzbank allerdings sehr hart.
Trotzdem kämpfen zwei Dinge miteinander. Fangen wir positiv an: Der Rahmen sieht aus, als könne ihn nichts verbiegen oder brechen. Dieses extrem verwindungssteife Rückgrat der Maschine lässt die Reaktionen berechenbar sein und führt zu einem ziemlich stabilen Fahrgefühl. Dem gegenüber kämpft die Kompromissbereifung des Conti TKC 80. Grobstollig funktionieren sie im Gelände ganz gut (aber das wollen wir heute ja ausdrücklich nicht), auf der Straße eher so mittel. Ist die Straße kühl, rutschig und feucht wie bei unserem Test: Wohl dem, der noch ein Zweimotorrad in der Garage hat. Alternativ auf das 2020er-Modell warten, das hat eine Traktionskontrolle. Man weiß im schwedischen Österreich eben, wozu das gut ist.
So eine Enduro-mäßige Sitzposition ziemlich direkt auf dem Vorderrad ist für die Beherrschung der Maschine im schweren Gelände notwendig – in der Stadt ist sie ideal. Wendig, flitzig und perfekt beherrschbar könnte man trotz breitem Lenker durch die vierrädigen Slalomstangen namens Auto wuseln, sich nach Herzenslust an der Ampel auf die Pole schlängeln, den Start zum Wheelie umfunktionieren – wenn es denn nicht verboten wäre. Deshalb das nur mal als Info.
Spaß ohne Ende - leider ein teurer
Also, hat das Experiment geklappt? Tja, ein eindeutiges Fazit ist schwierig. Für die Fernreise ist der Serientank klein, Sitzposition, Sitzbank und Fahrwerk auf der Anreise zum Ziel eher anstrengend.
Ansonsten ist die Husqvarna 701 Enduro ein echtes Spaßgerät. Als Erstmotorrad spielt sie sicher nicht die Idealbesetzung in der Garage, aber wer möchte und kann, sollte das mal ausprobieren. Wie schön doch kurzer Radstand und 75 PS harmonieren können!
Zum Schluss noch ein kleiner Wermutstropfen: Ist schon Mama KTM nicht für ihre zurückhaltende Preisgestaltung berühmt, tut die Tochter es ihr gleich: Das Motorrad mit praktisch null Ausstattung und wenig Neigung zum Soziusbetrieb kostet 10.395 Euro. Glückwunsch an die, die es sich leisten können.
Also: Wer ein Moped mit einem Klasse-Motor, tollem Fahrwerk, niedrigem Gewicht und brutalen Bremsen sucht, aber kaum etwas anderem, der kann einchecken. Wer Unvernunft für vernünftig im tieferen Sinn hält, der ist hier richtig. Für alle anderen gilt: „zurückbleiben bitte“.
Das Testbike wurde uns von Heller & Soltau in St. Michaelisdonn zur Verfügung gestellt.
Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre
- Preis: 10,395€
- Gebraucht (3 Jahre alt): 6.700€
- Baujahre: seit 2017
- Verfügbarkeit: mittel
- Farben: weiß