Test: KTM 1190 Adventure

Die orange Burg

image Die KTM 1190 Adventure ist eines dieser "Ganz-bestimmt-nicht-Bikes". Sie hat ganz bestimmt nicht zuwenig Leistung, Sound oder einen dezenten Auftritt. Was steckt sonst noch in ihr? Ein gebrauchtes Exemplar mit 38.000 Kilometern auf der Uhr aus dem Jahr 2013 musste sich bei uns im Test beweisen.

Eine Burg von einem Motorrad

Dieser Dietmar ist ja ulkig. Von mir immer als Boxer-Fahrer einsortiert, weiß ich, dass er eigentlich alle Motorräder mag und stets das Schöne im jeweiligen Exemplar zu schätzen weiß. Aber die KTM 1190 Adventure? Dieses dicke Ding mit bärigem V2 ist nichts für Schöngeister, sondern wäre in meiner Garage zuhause. Und nun hat Dietmar eine zeitlang tatsächlich daran gedacht, sich diesen Hobel anzulachen.
Das Bike aus 2013 hat 38.000 Kilometer auf dem (digitalen) Tacho. Und laut der Extras, die der Vorbesitzer bestellt hat, hat sie diese nicht im Kurzstreckenverkehr hinter sich gebracht. In die Abteilung Bling Bling sind die KTM-Powerparts einzuordnen, aber alles andere dient der Fahrt zum Ende des Regenbogens: Neben der praktischen Spiegelverlängerung zum Beispiel die Touratec-Sitzbank oder alle möglichen Koffer und Taschen, so dass ein Studentenumzug mit der 1190 Adventure kein Problem wäre.
Stünde die KTM auf dem Hauptständer und ich säße drauf, würden meine Füße hilflos in der Luft strampeln. Aber Dietmar mit 184 Zentimetern lichter Länge kommt mit der Sitzhöhe von 860 Millimetern primstens zurecht. Kleiner dürfen KTM 1190-Piloten  nicht sein, sonst müssen Stützräder her.
Schwächlich eher auch nicht. Ein Power-Riegel vor jeder Fahrt hilft beim Rangieren des 2,25 langen und damit riesigen Motorrades. Die orangene Burg wiegt zudem nicht weniger als 238 Kilo, und sieht auch aus wie ein dickes Ding. Im Gegensatz zur Konkurrenz, beispielsweise der BMW GS 1250, haben sich die Designer nicht den Hauch einer Mühe gegeben, die Fülle zu kaschieren.

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Vergleich zur BMW

Vielleicht bleiben wir noch kurz beim Musterschüler der deutschen Motorräder, der GS. Auch wenn das ein KTM-Test ist, lässt sich der Charakter im Vergleich am besten herausarbeiten. Ganz bestimmt würde KTM nie einen Kardan einbauen, der direkteren Umsetzung der Gasbefehle wegen. Auch einen Boxer nicht, viel zu kultiviert und nicht so krawallig wie es die KTM-Fahrer schätzen. Diese Bauform legt auch nahe, dass der KTM-Motor gedreht werden will, das werden wir nachher überprüfen.
Und doch verbindet diese beiden Giganten mehr als man auf den ersten Blick vermuten mag. Zum Beispiel, dass beide eigentlich Schummelpakete sind. Adventure ja, aber bitte auf Asphalt. Leichter Schotter geht klar, aber wer das ernsthaft befahren möchte, soll sich gefälligst eine Honda Afrika Twin zulegen. Einen Bordcomputer hat die KTM schon 2013 gehabt, nur der Drehzahlmesser ist analog. Der digitale Begleiter kann das, was man eben so als Elektronikfreak einstellen mag: Beladung, ABS, Heizgriffe und auch eine sehr sinnvolle Reifendruckkontrolle gibt es. 
Die bequeme Sitzposition oder den guten Windschutz verbindet die Konkurrenten ebenfalls - und beide sind nichts für Einsteiger, die KTM noch weniger als die BMW.
Das sind weder Dietmar noch ich, also los jetzt.

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Geht ab, dass der Koffer klappert

Sieh einer an, meine Vermutung stimmte: Unten rum passiert zwar etwas, aber die KTM schüttelt sich unwillig und selbst der nachgerüstete Akra-Auspuff grumpelt vor sich hin. Zwei- oder Dreitausend Umdrehungen höher und die Sache ändert sich - grundlegend. Das Ding geht wie die Hölle, offensichtlich hat sie keines ihrer 150 PS im Lauf der Jahre verloren. Der V2 hat zwar 125 Nm Drehmoment, aber die wachen auch erst obenherum auf (maximal bei 7.500 Umin).
Das 19-Zoll-Vorderrad schränkt zwar die Kurvenwilligkeit etwas ein, aber für Größe und Gewicht geht das voll in Ordnung.
Nicht missverstehen: Man will mit der KTM  keine Kurven räubern, jedenfalls nicht auf der letzten Rille. Dazu ist sie zu massig, und aus der Fahrerperspektive hat man jederzeit eine ganze Menge Motorrad um sich herum. Die Federung ist straff, aber nicht hart. Gröbere Unebenheiten federt sie gut heraus.

Fazit 

Die KTM 1190 Adventure ist eher der Handwerker unter den Adventure-Bikes. Praktisch, sinnvoll, aber für die Oper nicht geeignet. Sie hat viel von Ducatis Multistrada, mehr jedenfalls als aus der BMW GS-Serie. Sie ist wegen der sehr speziellen Motorauslegung nicht der ideale Allrounder, will sie auch nicht sein. 
Wer ein sportliches, rauhes Adventure-Bike sucht und die körperlichen Voraussetzungen mitbringt, hat hier eine gute Alternative zum Musterschüler aus Deutschland und macht ganz bestimmt nichts falsch.

Das Testbike wurde uns von Motorrad Ruser zur Verfügung gestellt.

Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre

  • Preis (Testbike): 8.990€
  • Gebraucht (6 Jahre alt): 8.000€
  • Baujahre: 2013-2016
  • Verfügbarkeit: gut
  • Farben: orange, schwarz, grau
Pro & Kontra
Pro:
  • Sportlicher Motor
  • Fahrwerksabstimmung
  • Sound
  • Langstreckentauglichkeit
Kontra:
  • Gewicht
  • Geländetauglichkeit
06 2019: Test: KTM 1190 Adventure
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