Test der Honda VFR 1200 F

Kräftiger Sport-Tourer mit einem Design aus der Zukunft.

Honda VFR 1200 F Fotos: motorradtest.de
Als die Honda VFR 1200 F im Oktober 2009 erstmals gezeigt wurde, staunte die Motorradwelt nicht schlecht. Ein derartig modern gestaltetes Motorrad hatte Honda bis dato noch nicht in den Ring geschickt. Bis 2016 wurde die VFR gebaut. Sie wirkt auch heute noch nicht wie von gestern - zumindest optisch. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man annehmen, hier steht eine Studie für ein Motorrad, dass erst noch gebaut werden soll. Toll !

Design von Übermorgen

Die Honda VFR 1200 F gilt als Nachfolgerin der legendären Honda CBR 1100 XX Super Blackbird. Optisch haben die beiden Maschinen allerdings wenig gemein. Die Vollverkleidung der VFR geht elegant in den Tank über und ist zweilagig konzipiert. Von vorne ist ein angedeutetes X in der Lampenmaske zu erkennen und insgesamt wirkt die Maschine lang gestreckt, muskulös, sehnig und elegant. Wie eine Raubkatze kurz vor dem Sprung auf die Antilope. Ein große Raubkatze! Die VFR 1200 F ist nämlich mit 2,25 Meter Länge und 267 kg Gewicht nicht gerade ein zierliches Kätzchen. Überhaupt sollten potentielle Käufer sich im Klaren sein, dass dieses Motorrad nichts für Anfänger ist - siehe Leistung weiter unten.
 
Foto: Honda
 
Die VFR wurde in den drei Farben Silber, Weiß und Rot angeboten. Später gab es dann auch noch eine blaue und eine schwarze Version, unser Herz schlägt aber ganz klar für die rote VFR. Durch die Einarmschwinge mit integriertem Kardan liegt das Hinterrad herrlich frei. Man könnte fast meinen, Ducati hätte hier abgeguckt. Die Sitzprobe fällt angenehm aus. Der Sozius hat ordentlich Platz und amtliche Haltegriffe. Der Fahrer sitzt tief in der Maschine und wird dank des M-Lenkers über den Tank nach vorne "gezogen". Sehr sportlich, aber nicht übertrieben. Die Sitzhöhe von 815 mm macht es auch kleineren Piloten möglich, sicher mit den Füßen auf den Boden zu kommen. Die VFR ist eine der wenigen Maschinen, auf denen sich große und kleine Personen gleichermaßen wohl fühlen können.
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Das soll sie können

In Sachen technischer Ausstattung übt sich die VFR in dezenter Zurückhaltung. Unsere Testmaschine aus 2011 hat nicht einmal eine Traktionskontrolle, obwohl diese bei 173 PS durchaus Sinn machen würde. Keine Fahrmodi, keine Wheelie-Control, keine Handy-Anbindung, kein Gar nix. Noch nicht einmal eine Restreichweitenanzeige bietet der dürftige Bordcomputer. Ganz klar: VFR-Fahren bedeutet Motorrad fahren pur und ohne Kondom. Immerhin dabei: Eine Ganganzeige - uff.

Ganz anders der Motor: Ein aufwendiger V4 mit ungewöhnlicher Zylinderanordnung und Zündreihenfolge. Diese wird ausgiebig auf Wikipedia beschrieben, insofern schenken wir uns dies an dieser Stelle. Leistung gibt es jedenfalls satt, allerdings erst ab höheren Drehzahlen. 

Erwähnenswert ist die Bremsanlage der VFR. Vorne kommen nicht weniger als sechs Kolben (Nissin Festsattel, radial verschraubt) zum Einsatz. Zudem baut Honda auch hier sein Combined-ABS und Integral-Bremssystem ein. Die Maschine bremst dann in der Praxis auch extrem gut. Herrlich dosierbar und mit unglaublich wenig Handkraft bringt man die massige Maschine abrupt zum Stehen - davon könnten sich auch aktuelle Maschinen gerne eine Scheibe abschneiden.

Die Lichtanlage gibt sich klassisch, LED-Technik sucht man vergebens. Die Blinker sind in die Spiegel integriert, was das elegante Design weiter unterstützt - aber das hatten wir ja schon. Dann wollen wir mal loslegen und werfen den Motor an.

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So fährt sie sich

Bevor wir losfahren, spitzen wir kurz die Ohren. Was kommt denn da für ein tiefes Gebrabbel aus dem Rohr gekrochen?! Herrlich, wie grummelig die Honda sich gibt. Kennen wir schon von den anderen VFRs, ein V4 ist eben doch etwas ganz anderes als ein Reihen-Vierer. Eher räudiger Hund als samtiger Bär. Das bleibt auch bei höheren Drehzahlen so, man vergisst also nie, dass man auf einer VFR sitzt - gut so.


Die erst Meter fühlen sich vertraut an, wenn man schon mal einen großen Sport-Tourer wie z.B. eine Yamaha FJR 1300 gefahren ist. Die VFR1200F fährt sich wie ein Intercity. Nichts bringt sie aus der Ruhe, auch kein hektisches Drehen am Gasgriff. Fast schon stoisch dreht sie ihre Runden und als Fahrer freut man sich über jede langgezogene Kurve. Ein Kurvenräuber á la MT-07 ist sie allerdings nicht. Da macht ihr das Gewicht einen Strich durch die Rechnung. Kleiner Nachteil des V4 plus Kardan: Lastwechselreaktionen und Vibrationen sind spürbar. Dies erwähnen wir allerdings nur der Vollständigkeit halber, gestört hat es uns nicht. Ebenso wie der große Wendekreis, der jeder Sporttourer dieser Kragenweite mit sich bringt.

Was die Fahrleistungen angeht, reicht eigentlich schon ein Blick auf das Datenblatt und man weiß, wo der Frosch die Locken hat. 173 PS und 129 Nm (bei 8.750 UMin) ermöglichen eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 3,0 Sekunden. Das Ganze fühlt sich ob des Gewichts sogar noch schneller an. Der Durchzug von 60 auf 100 km/h im 5. Gang ist dagegen ernüchternd: Die Maschine will nicht so richtig aus dem Keller kommen, bevor es ab 5.500 UMin wegen der Ventilsteuerung dann kein Halten mehr gibt. Natürlich ist sie auch in dieser Disziplin nicht langsam, aber sie braucht halt Drehzahl, wenn man es krachen lassen will. Unterhalb von 3.000 Umin geht wenig, was aber beim Gondeln durch Ortschaften auch mal ganz entspannend sein kann. Und übrigens gehört die VFR1200F nicht zu den Maschinen, die einen unentwegt zum Gas geben animieren. Sehr angenehm. 

Fazit - was bleibt hängen

Die Honda VFR 1200 F zählt für mich zu den schönsten Motorrädern überhaupt. Sie ist nicht weniger als eine Design-Ikone und es gibt kein Motorrad, dass ihr auch nur annährend ähnlich sieht. Zugegeben: Design ist Geschmackssache, aber zumindest dürfte die VFR niemanden kalt lassen. Ihr Aussehen weckt Emotionen und genau das sollten Motorräder doch auch tun, oder? 

Die VFR ist sicherlich kein Anfänger-Motorrad, dafür hat sie viel zu viel Leistung und ist auch zu schwer. Doch wer schon Motorrad-Erfahrung mitbringt und auf Dickschiffe steht, der wird begeistert sein von der absolut souveränen Vorstellung, die die VFR auf Autobahn und Landstraße abliefert. Wer dagegen ein kleines, wendiges Motorrad für die Stadt sucht, wird diesen Testartikel vermutlich sowieso nicht bis hier gelesen haben. ;-)

Das Testmotorrad wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Motorrad Ruser
 

Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre

  • Preis: 15.000€
  • Gebraucht (10 Jahre alt): 7.500€
  • Baujahre: 2010-2016
  • Farben: rot, weiß, silber
Pro & Kontra
Pro:
  • Extrem gute Bremsen
  • Fährt sich wie ein Intercity
  • Touring-tauglich
  • guter Soziuskomfort
  • bulliger Motor
Kontra:
  • Traktionskontrolle erst ab 2012
  • schwere Maschine, nix für Anfänger
  • Drehmomentschwäche bis 3.500 UMin
04 2021: Test der Honda VFR 1200 F
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