Test: BMW F 900 R
Alles neu - nach zehn Jahren
Ihre BMW F 800 R haben die Bayern tatsächlich zehn Jahre lang gebaut – was heute einer Ewigkeit nahe kommt. Aber jetzt steht die F 900 R bereit zur Staffelübernahme. Hat sich der Modellwechsel gelohnt?
Günstiger als Vorgängerin
Potzblitz: BMW renoviert seine Naked Bike-Mittelklasse und angstvoll fragt sich Kunde Normalo, wie hoch der Zuschlag für das neue Modell wohl ausfallen mag. Kunde Normalo muss dann allerdings erstaunt feststellen, dass der Einstiegspreis der neuen BMW F 900 R mit 8.800 Euro ohne Extras sogar niedriger als bei der Vorgängerin liegt. Und nun? Wollen die uns veräppeln, und wir müssen Vorder- und Hinterrad als Extra zukaufen?
Nix da. Zwar ist für BMW die Entwicklung eines Naked Bikes eine gute Gelegenheit, eine ziemlich nackte Version (Achtung: Wortspiel) auf die Räder zu stellen, aber so richtig karg ist die Ausstattung nicht. Serienmäßig sind unter anderem ABS und das schicke Farb-TFT-Display. Ärgerlich ist, dass für sicherheitsrelevante Dinge extra gezahlt werden muss. Dazu zählen die Aufrüstung des ABS zum Kurven-ABS oder die dynamische Traktionskontrolle DTC, die mit Gyrosensoren arbeitet und deshalb die Schräglagen- sowie Gier- und Nickrate in die Einstellung einbezieht. Da bleibt sich BMW treu.
Andersherum argumentiert könnte man auf die Idee kommen, die F 900 R mit ihrer technisch nahezu baugleichen (Rahmen, Fahrwerk, Motor) Schwester zu vergleichen. Die F 900 XR kommt als Adventure-Bike daher und glänzt mit einer Vollverkleidung – allerdings muss das zusätzliche „X“ in der Modellbezeichnung mit einem Mehrpreis von satten 2.600 Euro für eine andere Beplankung der identischen Technik honoriert werden.
Ein typisches Naked Bike
Wie dem auch sei: Die R ohne X ist ein typisches Naked Bike. Windschutz gibt es irgendwie nicht, und die Fußrasten sind im Sinne einer großen Schräglagenfreiheit ziemlich weit oben angebracht, was nicht jedem zusagt. Denn dies führt zu einem ziemlich engen Kniewinkel. Jedoch gelang es den Ingenieuren Personen mit langen Beinen eine ausreichend kommode Sitzposition einzurichten, dem günstig geformten Tank sei Dank. Leider auch typisch Naked Bike: Soziuskomfort wird eher klein geschrieben, weiter als bis zum nächsten Baggersee sollte die große Tour nicht gehen.
Der Pilot sitzt mit einer Sitzhöhe von nur 815 Millimetern schön niedrig und rutscht automatisch an den Tank heran. Dergestalt gut integriert hat er das künftige Geschehen dank des angenehm zur Hand liegenden Lenkers gleich im Griff.
Wirklich? Mal testen, also los.
Agil und aktiv
Der Druck auf den Starterknopf erweckt den Zweizylinder-Reihenmotor zum Leben. Er stammt ursprünglich aus der F 850 GS, doch BMW hat ihn auf 895 Kubik aufgebohrt. Lohn der Überarbeitung sind 105 PS, die auf ein Gewicht von 211 Kilo treffen. Da kommt Vorfreude auf. Bis der Twin Betriebstemperatur erreicht hat genießen wir die Tatsache, dass zwischen 4500 und 8500 Touren immer mindestens 87 Newtonmeter bereit stehen. Auch noch tiefere Drehzahlen steckt der 900er klaglos weg.
Nun ist er warm und wir drehen am Gas – ohne Verzögerung geht es voran, der Motor schießt hoch bis in den Begrenzer bei 9.000 Touren. Da kommt Freude auf, wie übrigens auch beim Schalten im gut abgestuften Getriebe. Allerdings: Der aufpreispflichtige Quickshifter (hoch wie runter) ist nicht unbedingt die Nummer eins auf der Liste der empfehlenswerten Extras. Das Ganze hat man schon besser gesehen, vor allem beim Runterschalten reagieren die Automaten der Konkurrenz meist smoother.
Noch kurz ein Wort zum Display. Je nach Extras zeigt es eine ganze Menge an, das jedoch immer klar, scharf und in Farbe. Auch die Bedienung selbst ist in sich logisch. Insgesamt vier Extrapakete bietet BMW an, voll ausgerüstet steht die F 900 R dann für rund 12.000 Euro beim Händler.
Was auch beim Ankreuzen aller Optionen nicht veränderbar ist: Das elektronische ESA-Fahrwerk wirkt nur auf die Hinterhand. Vorne ist nichts zu verstellen, auch nicht manuell. Das muss allerdings nicht zwingend ein Nachteil sein, wenn das Fahrwerk von Anfang an gut abgestimmt ist – was hier der Fall ist.
Mit der Sitzposition eher vorderradorientiert, nicht übertrieben sportlich, kann man die BMW exakt dahin zielen, wo sie hinfahren soll. Das Fahrgefühl ist typisch Naked Bike, also ziemlich aktiv. Das sportliche Bike geht gut voran, sie ist in Kurven aller Radien ziemlich agil und lässt sich gut einlenken. Zwar ist sie mit 211 Kilo nicht übermäßig leicht, aber schwerfällig schon mal gar nicht.
Der Windschutz ist wie erwähnt nicht ganz so gut, um nicht zu sagen, er entfällt. Das jedoch weiß man vorher und legt auf Strecke mal eine Pause ein. Die Unterbrechung kann der BMW-Eigner gleich zum Tanken nutzen, denn der Inhalt dessen beträgt nur 13 Liter. Der Tank mag schick sein, aber bei engagierter Fahrweise nach gut 200 Kilometern wieder bereit für eine Füllung.
Ideal für den sportlichen Kurztrip
Wenn es so läuft wie mit der Vorgängerin, dann hat BMW mit der F 900 R wieder einen potentiellen Bestseller im Programm. Warum auch nicht: Die Maschine ist für BMW-Verhältnisse ziemlich günstig und gleichzeitig ziemlich gut.
Man muss eben wissen, was man will. Dieses Bike ist ideal für den sportlichen Ausflug ohne große Reiseambitionen. Wessen Wunsch das immer war: Probefahren bitte!
Das Testbike wurde uns von Bergmann und Söhne in Pinneberg bei Hamburg zur Verfügung gestellt.
Preis / Farben / Baujahre
- Preis: 8.800€
- Baujahre: seit 2020
- Farben: rot-silber, blau, schwarz