Test: Yamaha SCR 950
Kleiner Rabauke
Auch Yamaha möchte ein Stück vom Kuchen abbekommen: Um von den trendigen, stark verkauften Scramblern profitieren zu können, schickten die Japaner die SCR 950 ins Rennen. Mit einer ungewöhnlichen Ansage, denn die Yamaha ist die bei weitem leistungsschwächste Scambler im Feld. Kann das funktionieren?
Nichts fürs Gelände
Doch das ist nicht die einzige Besonderheit der SCR: Scrambler sind die Frühform der straßenzugelassenen Enduros, und als solche schraubten die Franzosen (ja, mal nicht die Amis) in den 60ern einen breiten Lenker, längere Federwege und Stollenreifen ans Bike. All das hat die SCR, aber eigentlich gehört zu einer Scrambler auch noch eine hochgelegte Auspuffanlage – darauf verzichtet Yamaha, warum auch immer. Trotzdem sieht sie gut aus.
Sie ist dabei keine komplette Neukonstruktion, denn sie basiert auf einem Cruiser, der XV 950 R. Auch das ist ungewöhnlich, weil es zwei Dinge mit sich bringt: Ein hohes Gewicht von 252 Kilo, was spätestens im Gelände hinderlich ist. Immerhin: Yamaha behauptet gar nicht erst, dass ihr Modell abseits befestigter Straßen zu Heldentaten fähig wäre. Das zweite Mitbringsel der Cruiser-Abstammung ist die geringe Motorleistung von nur 54 PS.
Die SCR entzieht sich einem Schema
Wer gerne Motorräder mit ordentlich Schmackes fahren möchte, ist hier falsch. Das ist deshalb erstaunlich, weil die Konkurrenz aus Ducati Scrambler mindestens 75 PS hat, BMW legt mit der R NineT Scrambler und 110 PS nochmal eine ganze Schippe drauf.
Klar, die BMW steht für über 13.000 beim Händler, die Yamaha kostet dagegen nur 9.895 Euro. Nur? Nun ja: Die Ducati mit 75 PS kostet keine Achttausend.
Erstaunlich ist ein unpassendes Stilelement der Yamaha: Die meisten Konkurrenten ziehen den Retro-Look auch im Cockpit durch und bauen Instrumente ein, die mindestens älter aussehen. Yamaha hat eine Mischform gewählt: Im klassisch-runden Zentralelement steckt ein kleines, rechteckiges LC-Display. Was das soll, hat sich unserer Kenntnis entzogen.
Von der Papierform gibt es also erst mal wenig, was so richtig begeistert. Aber entscheidend ist ja bekanntlich auf der Straße, also tauschen wir jetzt mal Theorie gegen Praxis – los.
Fahrspaß trotz geringer Leistung
Es ist ganz erstaunlich: Auch wenn der Autor dieser Zeilen gegen viel und noch mehr PS nie etwas einzuwenden hatte, kommt auf der SCR nicht zwingend der Wunsch nach mehr Dampf auf. Es gab bislang nur ein einziges Motorrad, bei dem das genauso war: Der putzigen Honda CMX 500 Rebel mit 46 PS. Die Leistungszufriedenheit hat bei der Yamaha zwei Gründe: Zum einen produziert der große V2 schon bei 3.000 U/min saftige 97,5 Newtonmeter, was die ganze Fuhre anständig nach vorn schiebt. Und zweitens ist es einfach kein Motorrad, welches zum Schnellfahren animiert. Aber so richtig ganz und gar nicht. Obwohl man im Vergleich zum Cruiser XV 950 R satte 14 Zentimeter höher sitzt (Sitzhöhe: 830 Millimeter), führt das nicht zu einer animierenden Fahrweise. Wer es krachen lassen will, wird viele Kratzer im Asphalt hinterlassen, da die SCR mit den Fußrasten sehr früh aufsetzt, was aber unkritisch ist.
Kurz gesagt: Die Yamaha bremst und lenkt und blinkt und federt alles in allem ordentlich, aber im Grunde ihres Wesens ist sie ein Cruiser im halben Scrambler-Look. Man würde ihr den dazu passenden ordentlichen Fahrkomfort attestieren, wenn, ja wenn die Sitzbank nicht so hart wäre. Etwas sportlicher als die Ausgangsbasis ist die SCR ja, aber bitte nicht zu viel.
Es ist ein Cruiser
Zu guter Letzt kann man Yamaha eines zu 100 Prozent glauben – im Gelände kann sie nahezu nichts besser als normale Bikes. Größeren Ambitionen stehen schon die Reifen (Bridgestone TW 101 vorne und TW 152 hinten) im Weg.
Was bleibt: Die Yamaha SCR 950 ist ein Cruiser im Scrambler-Look. Das ist nichts Schlechtes, aber der größte Teil des Aufpreises geht in die Optik – und das muss es einem wert sein.
Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre
- Preis: 9.895€
- Gebraucht (3 Jahre alt): 7.500€
- Baujahre: seit 2016
- Verfügbarkeit: gut
- Farben: rot, schwarz