Test: Triumph Bonneville T120

Die Wiedergängerin

image Fotos: Motorradtest.de

Die Triumph Bonneville ist unbestritten eines der schönsten Retro-Bikes überhaupt. Das Original wurde 1959 präsentiert und war ein klassisches Motorrad mit sehr sportlicher Note. Kann die jetzige Version mehr als nur gut aussehen?

Liebe zu Details

Allein wie sie dasteht. Je nach Version in einer Zweifarbenlackierung, aber auf jeden Fall mit klassischen Stereodämpfern und zwei nicht minder retromäßigen Tüten. Das alles ist – wie von Triumph gewohnt – gut und mit Liebe zu den kleinen Details verarbeitet. Unser Exemplar ist weiß-metallic und trägt zusätzlich neben dem Lack noch den Union Jack des Sondermodells Diamond, ist ansonsten serienmäßig. Wem das zu wenig Bling-Bling ist, dem stellt Triumph nicht weniger als 160 Zubehörteile zur Verfügung.

Die aktuelle Version leistet nach der kürzlichen Überarbeitung 80 PS. Das ist absolut gesehen nicht eben wenig, aber angesichts des stattlichen Hubraums von knapp 1200 Kubik auch nicht viel. Ein Blick in das Datenblatt zeigt, was man vermutete: 105 Newtonmeter maximal bei nur 3.100 U/min stehen bereit, es handelt sich also um einen Drehmomentmotor, was zu einem Retro-Bike passt.

Virtueller 360 Grad Rundgang um die Triumph Bonneville T120
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Der Charakter hat sich gewandelt

Aber nicht zum Original. Das war in den 60ern ein Böse-Buben-Bike für die Käufergruppe, die man heute als Rocker bezeichnen würde. Und sportlich war sie. Hier gibt es einen klassischen Zielkonflikt, denn sportlich sieht die Triumph nicht aus (und ist es auch nicht, was sich schon nach den ersten Testkilometern zeigte). Das Original bekam den Namen übrigens, weil sie auf dem Bonneville-Salzsee in den USA einen neuen Weltrekord aufstellte. 345,2 km/h schaffte Testfahrer Johnny Allen auf der stromlinienförmig verkleideten Maschine. Die heutige Bonnie schafft 180 km/h.

Stattliche 243 Kilo wiegt die T120 fahrfertig – wo verbaut Triumph all das Material? Ein Blick auf das Fahrwerk mit den doppelt vorhandenen Dämpfern sowie der stählernen Schwinge zeigt die Richtung: Hier wirkt alles wie aus dem Vollen geschnitzt, filigrane Kunst sucht man vergebens. Insgesamt ist das Design in sich stimmig und nah am Original. Mein Lieblingsdetail: Die an Vergaser erinnernden Teile des Twins.

Die Ausstattung mit elektronischen Helferlein zur Fahrsicherheit ist eher schmal, denn außer zwei Fahrmodi (Rain und Road), der Traktionskontrolle und dem ABS gibt es nichts.

Dann mal los, die Bonnie in die heutige Welt führen und gucken, wie das klappt.

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Surfen auf dem Drehmoment

Allein schon der Anblick der Instrumente wärmt das Herz des Fahrers oder der Fahrerin. Geschwindigkeit und Drehzahl in analoger Form angezeigt zu bekommen, das hat was. Die nötigen digitalen Infos wie Ganganzeige oder den Füllstand des Tanks integrierten die Ingenieure über jeweils ein kleines Display in den beiden Rundinstrumenten.

Runter vom Hauptständer (serienmäßig), angesichts der einstelligen Außentemperaturen die ebenso serienmäßigen Heizgriffe angeschaltet und los geht’s.

Was sofort auffällt: Es gibt kaum Motoren, die besser klingen. Egal bei welcher Drehzahl, die Triumph klingt angenehmen dumpf und basslastig, ohne die Nachbarn zu verschrecken. Die leichtgängige Anti-Hopping-Kupplung lässt den ersten Gang des präzisen Sechsganggetriebes kommen und schon legen wir ab. Tatsächlich, die T120 drückt von unten enorm los. Da es nicht nur uns kalt ist, sondern auch dem Motor, fahren wir diesen natürlich warm, bevor es in höhere Drehzahlen geht.

Doch auch wenn der Reihentwin warm ist, ändert sich wenig an der niedertourigen Fahrweise. Zwar ist das Triebwerk durchaus drehwillig, aber ein nennenswerter Leitungszuwachs will sich nördlich von 5.000 Touren kaum einstellen – also lässt man solche Sperenzchen.

Zudem wird in den ersten Kurven klar, dass die Triumph eher auf moderate Kurven steht, ebenso wie sie ihren Besitzer zu einer ruhigen, ausgeglichenen Fahrweise erzieht. Wer es krachen lassen will, sieht sich mit erhöhter Anstrengung konfrontiert, die Bonnie muss förmlich in eine starke Schräglage hineingezwungen werden, was sie mit recht früh aufsetzenden Fußrasten quittiert. Das lässt man ebenfalls besser bleiben, und die Kurvenhatz entspricht nicht dem Charakter der Maschine.

Lieber animiert sie zur schon erwähnten, entspannten Landstraßentour. Der Komfort geht in Ordnung, der Druck aus niedrigen Drehzahlen sorgt für ein flüssiges, aber nicht niedriges Tempo über Land. Die Stopper könnten mehr als das, sie lassen sich gut dosieren und beißen bei Bedarf heftig zu.

Nicht billig, aber stilvoll

Wer eine Kurvenpfeile sucht, muss woanders schauen. Wer aber auf eine ausgesprochen stilvolle Art vorankommen möchte und dem ruhigen Lauf der Dinge den Vorzug gibt, der ist hier richtig. Die Triumph Bonneville T120 kann viel mehr als nur gut aussehen – aber man muss sie sich leisten können. Derzeit steht sie für 12.050 Euro beim Händler. Klar gibt es für weniger Geld Motorräder, die in nackten Zahlen das gleiche leisten wie die T120. Aber will man das?

Das Testbike wurde uns von Triumph Hamburg zur Verfügung gestellt.

Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre

  • Preis: 12.050€
  • Gebraucht (3 Jahre alt): 9.500€
  • Baujahre: seit 2016
  • Verfügbarkeit: gut
  • Farben: schwarz, silber, grau/orange, grün/weiß, weiß/blau
Pro & Kontra
Pro:
  • Kräftiger, durchzugsstarker Motor
  • Verarbeitung
  • Bremsen
  • Soziuskomfort
Kontra:
  • Nicht eben billig
10.2020: Test: Triumph Bonneville T120
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