Test: Kawasaki Z H2

Druckstufe

image Fotos: Motorradtest.de

Allein schon diese Leistungsdaten: Vierzylinder, Kompressor-Aufladung, 200 PS. 267 km/h gibt Kawasaki als Höchstgeschwindigkeit an. Und das alles in einem Naked Bike? Wie und ob das zusammengeht, klärt der Test.

Kampfansage an Ducati & Co

Luft nach oben gibt es immer. Ganz da oben, wo sich die Hyper-Naked-Bikes für Erwachsene herumtreiben, da will Kawasaki mit der H2 hin. Seit 2020 gibt es neben dem Racer H2/R und dem Sporttourer H2 SX die nackte H2. 200 PS und keinerlei Windschutz? Doch dieses Rezept haben schon Ducati Streetfighter V4 und MV Augusta Brutale RR erfolgreich auf die Straße gebracht, Kawa zeigt nun die eigene Interpretation des überaus kraftvollen Naked Bikes.

Schon auf den ersten Blick wird eines deutlich: Der vergleichsweise hohe und nach hinten geneigte Lenker führt zu einer ziemlich aufrechten Sitzposition. Auf der Testfahrt wird sich zeigen, dass auch die Fußrasten so angebracht sind, dass es eher lässig als sportlich zugeht.

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Extrem kräftig, aber undramatisch

Die bislang stärkste aller Z-Kawas erreicht ihre Leistung über einen Kompressor. Wieder einmal zeigt sich, dass PS nicht gleich PS ist. Kompressoren werden im Gegensatz zu Turboladern nicht vom Abgasstrom, sondern mechanisch direkt vom Motor angetrieben. Das kostet zwar Spitzenleistung, hat aber einen großen Vorteil: Die Aufladung steht sofort und immer zur Verfügung, die turbotypische Gedenksekunde entfällt. So zeigt sich der Motor mit sehr hoher Leistung, aber sonst undramatisch. Die Maximalleistung steht bei vergleichsweise moderaten 11.000 Touren an (Ducati Streetfighter: unglaubliche 14.500 Touren), das maximale Drehmoment von 137 Newton liegt schon bei 8.500 Touren an.

Ein extremes Leichtgewicht ist sie nicht: immerhin 239 Kilo wiegt sie fahrfertig. Das Fahrwerk ist voll einstellbar, hier hat Kawasaki an nichts gespart. Eine Bosch-IMU lenkt alle Fahrassistenzsysteme, so dass ABS und Traktionskontrolle immer am Optimum arbeiten. Die TC lässt sich in drei Stufen ein- und komplett abstellen, das ABS  nicht. Beide Systeme arbeiten schräglagenabhängig.

Im Vergleich zur Technikspenderin, der H2 SX, ist die Z kürzer übersetzt.

Dann mal los zur Testfahrt.

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Alltagstauglich

Der erste Eindruck hat nicht getäuscht: Die Kawa ist kein nervöses Rennpferd, sondern lässt sich unspektakulär bewegen. Hier muss keiner mit Gas und Kupplung spielen, um einen sauberen Start hinzubekommen – die Z fährt einfach los. Auch der Sound ist moderat, zu den typischen Lebensäußerungen eines japanischen Vierzylinders gesellt sich das Sirren des Kompressors. Überschüssiger Druck wird zwitschernd durch das Wastegate-Ventil abgegeben, auch das ist deutlich hörbar.

Und die Leistung? Brutal. In den niederen Gängen hebt sie gerne mal das Vorderrad, wer es darauf anlegt, kann dies noch im Vierten ohne große Mühe erzwingen. Die Kraft ist wie eingangs vermutet stets und sofort abrufbar und zieht einem die Arme lang. Und dennoch wirkt die Kawa nicht wie das Leistungsmonster, welches sie eigentlich ist. Sie ist nicht so animierend wie die Ducati, die ständig auf Krawall gebürstet ist. Das ist gut für die Sicherheit (und den eigenen Führerschein), ja, sie ist kultiviert.

Nach kurzer Eingewöhnung bereits stellt sich heraus, dass ein Gang höher immer eine gute Wahl ist. Dank der kurzen Übersetzung und des schlagartig durchpustenden Kompressors führt hochtourige Fahrweise zu einer Hektik, die der Kawa nicht angemessen ist. Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Z ist ein echtes Superbike und kann ihre Kraft nur auf der Rennstrecke oder einer freien Autobahn ausspielen – aber sie ist ein alltagstauglicher und souveräner Begleiter.

Dazu passt das Fahrwerk. Es ist wie schon erwähnt voll einstellbar, vor allem die vordere Gabel hält drohendes Ungemacht vom Fahrer fern. Überraschung: Sitzposition, Drehmoment, Fahrkomfort – die Kawa Z H2 ist ihrem Wesen nach ein Tourer. Die Kraft im Überfluss reicht für alle Lebenslagen, sie muss nicht ständig am Limit sein. Die Leistung ist einfach da, niemand fühlt sich dadurch herausgefordert. Wer will, kann die Gänge durchreißen und das Erlebnis scheinbar unendlicher Kraft genießen – aber es ist wie bei einem guten Rotwein: interessant, gehaltvoll, aber ständig trinken will man den nicht.

Testosteron feiert eine Party

200 PS und die daraus resultierenden Fahrleistungen wollen verantwortungsvoll eingesetzt werden. Die Kawasaki Z H2 ist eine Meisterin darin, den Fahrer darin zu unterstützen. Souveräne Leistung? Jederzeit. Ein zum Rasen animierendes Gerät für potentielle Selbstmörder? Niemals. Dass sie gut Gehen kann, ist unzweifelhaft, aber so dargeboten wie hier, kann das vor allem gutgehen.

Dreht man auf, feiert das Testosteron im Körper Vollversammlung und die Innereien des Körpers werden vorgespannt. Ob man das mag oder nicht ist eine subjektive und damit nicht zu bewertende Meinung. Ob die Kawa alles tut, um das beherrschbar zu gestalten ist objektiv – und das tut die Kawa. Test bestanden.

So ist die Z die beste Lösung für all die, die ein tourentaugliches Naked Bike mit voller Leistungsstufe suchen. Allerdings: Der Platz für den Sozius ist da, aber er könnte besser sein. Warum nur sind die wenigsten Naked Bikes für die Tour zu zweit geeignet? Am Leistungsmangel bei voller Auslastung der Zuladung wird es nicht liegen …

Das Testbike wurde uns von Heller und Soltau in St. Michaelisdonn zur Verfügung gestellt.

Preis / Farben / Baujahre

  • Preis: 17.095€
  • Baujahre: seit 2020
  • Farben: immer schwarz, Rahmen in schwarz, grün oder rot
Pro & Kontra
Pro:
  • Drehmoment
  • Maximalleistung
  • Fahrwerk
  • Sicherheitsausstattung
Kontra:
  • Soziuskomfort
05.2020: Test: Kawasaki Z H2
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