Test: BMW R 1250 GS Adventure
Deutschland auf zwei Rädern
Deutschlands Liebling, die Königin der Zulassungsstatistik alias BMW 1250 GS, hat eine Schwester, der wir bislang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben: die Version Adventure. Ups. Kann es sein, dass für 1.500 Euro Aufpreis die ohnehin gute BMW GS noch besser wird? Ein Drittel der GS-Käufer bestellt diese Option, wir klären das im Test.
Richtig viel Motorrad
Über das Wesen der BMW GS ist schon viel geschrieben worden, und auch wir haben natürlich einen Test zum Besteller der Bayern geschrieben. Kurze Zusammenfassung: tolles Bike. Fast schon perfekt. Das gilt, wenn man bereit (und in der Lage) ist, rund 20.000 Euro Neupreis zu verkraften und zudem körperlich so ausgestattet ist, dass man ohne Trittleiter die Sitzbank erreicht. Das gilt ebenfalls für die Version Adventure, die eine verstellbare Sitzhöhe bietet, welche aber immer noch mindestens 890 Millimeter beträgt.
Virtueller Rundgang um die Maschine
Neben einer geänderten Fahrwerksgeometrie für ein besseres Handling gibt es bei der Adventure-Version weitere Ausstattungen. Diese heben das Gewicht der ohnehin nicht eben schlanken GS um 20 Kilo auf rund 270 Kilo. Zur Ausstattung gehören neben anderen Verkleidungsteilen sinnvolle Dinge wie den Motorschutz oder durchdachte, zweiteilige Fußrasten.
Fernreisende werden sich zudem über den 30-Liter-Tank freuen. Alles paletti also? Nun, unser Testteam ist hier geteilter Meinung. Während die einen alles super und sinnvoll finden, ist der Autor dieser Zeilen eher gespalten. Schließlich geht es hier nicht um die Frage, ob die GS ein gutes Motorrad ist – nach allen objektiven Kriterien ist sie das.
Ins Gelände? Eher nicht
Aber als Adventure? Tanken ist nervig, schon klar. Boxenstopps können eine längere Etappe sinnvoll unterteilen. Mit ihrem 30-Liter-Fass schafft die Adventure nach Werksangaben gute 600 Kilometer am Stück – aber braucht man das? Wer fährt denn 600 Kilometer ohne anzuhalten durch? Eine andere Frage ist es, ob es in der Einöde überhaupt eine Tanke gibt. Dann ist der Riesentank kein Komfort-, sondern ein Überlebensmerkmal. Ein Blick ins Unterzeug unseres Testbikes förderte eine reine Straßenbereifung zutage. So wird der weit überwiegende Teil aller Adventures ausgeliefert, die optionale Geländebereifung bestellt nahezu niemand.
Und so sind wir denn am Kern dieser Frage angelangt: Tatsächlich ins Gelände wird mit der GS nur ein verschwindend kleiner Teil der Kunden gehen. Dafür ist sie mit 270 Kilo einfach zu schwer und dank der umfangreichen Elektronikausstattung zu kompliziert.
Hat es den afrikanischen Dorfschmied jemals gegeben, der laut Legende unzählige Yamaha XT 500 mit einfachen Werkzeugen wieder zum Laufen gebracht hat, wäre dieser mit der BMW heillos überfordert. So spielen sich die Adventures der meisten GS-Piloten in heimischen Gefilden ab, wo ihnen maximal das Verlieren des Schlüssels des Keyless Go-Systems droht.
Also nur alles nur Show? Keineswegs: Die Reisequalitäten der BMW 1250 GS Adventure sind Legende. Wir probieren das mal aus.
Ein Bike für alle Fälle
Was gehört eigentlich zu den vielzitierten „Reisequalitäten“? Also: Ein überaus kraftvoller Motor, der aus jeder Drehzahl kräftig loslegt und vibrationsarm läuft? Check, ist an Bord. Ein Fahrwerk, das auf einer möglicherweise langen Anreise zum Ziel langstreckentauglichen Komfort nicht vermissen lässt, aber gleichzeitig maximalen Fahrspaß in den Kurven garantiert? Check, ist an Bord. Hat die normale Adventure in der von uns getesteten HP-Syle Variante ein optisch knackiges, aber leider recht kleines Windschild vor dem Fahrer, lässt sich das mit dem Ausstattungspaket Sozius beheben. Dann gibt es wie bei unserem Testbike die höhenverstellbare Sitzbank dazu, die für den Hintensitzenden dank separatem Sitzkissen äußerst kommod ist. Laut Händler bestellt die weit überwiegende Mehrzahl der Kunden diese Option.
Die BMW ist ein sehr begabtes Reisemobil. Das wirklich erstaunliche an der GS ist jedoch ein anderer Umstand: Ein gutes Reisebike zu konstruieren, das können viele Hersteller. Die GS jedoch ist von einer unglaublichen Wandlungsfähigkeit. Man mag es nicht glauben, wie wendig und ja – einmal in Fahrt – leichtfüßig dieses Trumm von Motorrad sei kann. Auch an der Sportlichkeit wird niemand etwas auszusetzten haben.
Die Shift-Cam-Technik mit den verstellbaren Ventilzeiten garantiert eine kraftvolle Zweizylinder-Boxermaschine, die jederzeit so wirkt, als ob sie tatsächlich viel mehr als 136 PS leisten würde. Oder das Fahrwerk: Immer komfortabel, baut es vom ersten Meter ein Vertrauen beim Fahrer auf. Selbst bei hartem Kurvenwetzen verwandelt sich die GS auf wundersame Weise in ein Superbike auf Wolke 7.
Billig ist hier nichts
Das alles bietet auch die normale GS. Ebenso das umfangreiche Fahrwerk mit seinen ganzen Programmen und Einstellmöglichkeiten. Ob man die weitere Ausstattung der Adventure wirklich braucht? Mit Sicherheit nicht, aber haben möchte man sie vielleicht gerne. Unser voll ausgestattetes Exemplar legte zum Listenpreis von rund 18.000 Euro nochmal ordentlich was drauf, so dass schließlich nicht weniger als 23.000 Euro fällig werden würden. Aua.
Am Ende könnte man aber auch argumentieren, dass es in diesen Regionen eh nicht mehr darauf ankommt. So bleibt ist es denn bei einem Mehrpreis von 1.500 Euro für die Adventure letztlich eine Frage des Geschmacks. Und den hat ja bekanntlich jeder selbst zu verantworten.
Das Testbike wurde uns von Bergmann & Söhne in Pinneberg bei Hamburg zur Verfügung gestellt.
Serienausstattung:
Connectivity-TFT / Berganfahrhilfe / "Rain" und "Road" / LED / ASC (Traktion)
Pakete:
Komfort (515€): Heizgriffe/RDC/Chromauspuff
Touring (2.140€): Dynamisches ESA/Keyless Go/Tempomat/LED-Positionsleuchten/Navi-Vorbereitung/Kofferhalter
Dynamic (1.040€): Fahrmodi/QS/Tag-LED-Blinker/DTC
Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre
- Preis: ab 18.000€
- Gebraucht (3 Jahre alt): 12.000€
- Baujahre: 1250 ab 2019
- Verfügbarkeit: sehr gut
- Farben: eisgrau, sandmatt, HP-Stle (weiß-blau-rot mit goldenen Felgen)