Test: Husqvarna Vitpilen 701

Designerstück für jeden Tag

image Husqvarna? Ach ja, diese Schweden, die für Enduros bekannt sind. Stimmt nicht: Auf der Suche nach neuen Märkten hat Husqvarna die Straßenmaschinen entdeckt und präsentierte 2018 stolz das Designerstück Vitpilen 701. Das Team von motorradtest.de hat sich eine besorgt und klärt, ob aus dem Norden mehr Köstlichkeiten außer Köttbullar kommen.

Das Motorrad

Um die Vitpilen zu verstehen, ein kurzer Ausflug in die Geschichte der Firma Husqvarna, die schon 1903 begann: Nach diversen Aufs und ebenso vielen Abs gehören seit 2013 die Markenrechte der österreichischen Motorradfirma KTM, und die Bikes der zusätzlichen Marke werden auch dort gebaut. Feinstes wienerisches Kaffeehaus statt Köttbullar also, und genau das soll die Vitpilen sein: ein Café Racer mit viel Stil. Der erste Eindruck überzeugt: edle Mattlackierung, schwarze Räder und, O-Ton Husvarna: insgesamt "minimalistischem Design". Was man normaler Weise als typischen Marketingssprech abtun würde, klappt hier tatsächlich: Die Vitpilen 701 sieht klassisch, aber sehr modern und kraftvoll aus. Bis in Details wie den LED-Scheinwerfer ist zu spüren, dass sich hier jemand Gedanken gemacht hat. Außerdem: Die Verarbeitung ist tadellos.
Während man also immer neue Details an der Maschine entdeckt und versucht, sich nicht zu verlieben, kommt der Realitätscheck: Was ist das eigentlich für ein Motorrad? Die Antwort: Weite Teile der Technik stammen von der KTM Duke 690, unter anderem der Motor. Die steht für schlanke 8.595 Euro beim Händler. Wer sich das empfehlenswerte KTM-Track Pack gönnt, zahlt 299 Euro inklusive Traktionskontrolle (Serie bei Vitpilen) mehr und landet bei 8.894 Euro für die Duke. Die Vitpilen hingegen kostet 10.195 Euro. Aua. 
Die nahe liegende Frage lautet: Bekommt man irgendwas Handfestes für den Aufpreis von 1.301 Euro? Da schaute sich das Testteam tief in die Augen und kam nach intensiven Recherchen mit anschließender Meditation zu dem Ergebnis: nein.
Einerseits.
Andererseits: Machen exklusive Designstücke, egal in welcher Branche, überhaupt einen logischen Sinn? Motorradfahren an sich ist mit Logik kaum zu begründen, insofern braucht sich die Vitpilen dieser Frage auch nicht zu stellen. 
Wir kümmern uns jetzt mal näher um die Frage, was man für die Summe überhaupt bekommt. Also: Aufsitzen, Schlüssel umdrehen und los.

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Erstkontakt

Fast jedenfalls. Wer sich vor der Fahrt über die Befindlichkeit der Maschine informieren will, blickt aufs Kombiinstrument. Das ist hier nicht ohne, denn auch die Tachodesigner haben Extraschichten eingelegt und müssen schlussendlich zu der Erkenntnis gelangt sein, dass ein nicht allzu großer, kreisrunder Anzeiger mit spiegelnder Scheibe ideal für alle Informationen sein sollte. Man kann hier durchaus anderer Meinung sein, denn vor allem im Sonnenschein ist es um die Ablesbarkeit nicht gut bestellt.
Jetzt aber: Schlüssel rum. Sofort zieht sich ein Lächeln ins Gesicht, denn der Sound ist richtig gut. Das liegt natürlich mit am Auspuff, aber vor allem an dem, was die KTMler unter den Tank geschoben haben: den weltweit stärksten Einzylinder mit 75 PS. Kernig schon im Standgas, rekapituliert man den Charakter dieses Motors: unter 3.500 U/min geht nicht viel, dafür später richtig die Post ab. Und der Verzicht auf weitere Zylinder kommt dem Gewicht zugute: Tatsächlich wiegt die Vitpilen nur 169 Kilo.
Die Sitzbank ist straff, aber nicht unkomfortabel, selbst im Soziusbetrieb. Der relativ schmale Lenker fällt sofort auf, zudem die nach vorn geneigte, sportliche Sitzposition. Den kleinen Kupplungsgriff gezogen, Seitenständer eingeklappt (Hauptständer gibt's nicht) und ...

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Die Husqvarna Vitpilen 701 auf der Straße

... endlich los. Wunderbar, ganz wunderbar. Die Husqvarna löst schon auf den ersten Metern das Versprechen der Leichtigkeit ein, wendig ist sie und die Kupplung ist ebenfalls von der unanstrengenden Sorte. Das Schalten entfällt später dank Quickshifter völlig, was hoch wie runter sehr gut klappt. Schalten ohne Kuppeln, genau wie es sein muss.
Die Vitpilen teilt dem geneigten Motorradfahrer sofort mit, was für sie und damit auch für den Biker eine gelungene Ausfahrt wäre: erst mal gemütlich warm fahren und dabei den Blick durch die Landschaft schweifen lassen. Die Umgebung nach der Arbeit genießen - auf dem Tacho erkennt man eh' nichts - und entspannen. Das Vertrauen steigt mit jedem Meter, man könnte das Motorrad unter sich fast vergessen. Tatsächlich verzögern auch die Stopper bei unseren Bremstests trotz Einzelscheibe vorn ohne Fehl und Tadel.
Da war doch noch was? Ach ja: Die Öltemperatur ist mittlerweile in einem Bereich angelangt, in dem das Leben als Motorradfahrer Spaß macht. Also aufdrehen. Besser einen Gang im sechsgängigen Menü herunterschalten, denn der KTM-Motor steht nicht auf niedrige Drehzahlen. Auf Laufkultur irgendwie auch nicht, aber das wäre bei einem Einzylinder sowieso schwierig.
Um es kurz zu machen: Wer 75 PS gerne mit dem Attribut "nur" versieht, sollte seine Einstellung ändern und sich eine Vitpilen kaufen. Die leichte, auf sympathische Art krawallige Vipilen geht nach vorn, dass es eine Freude ist. Das straff, aber nicht unkomfortabel ausgelegte Fahrwerk unterstreicht das Ganze mit einem guten Geradeauslauf sowie einem sicheren Kurvenverhalten.

Fazit - was bleibt hängen

Die Vitpilen ist ein kleiner Rabauke, aber einer, der einen gefühlt nie im Stich lässt. Vorausgesetzt man kann sie sich leisten, bleibt die Frage: Will man sie sich leisten? Wir von motorradtest.de sind uns einig: ja!  Fünfmal Daumen hoch.
Sie ist der ideale Begleiter für die Dinge, die im Leben so Spaß machen. Und die schönsten davon sind die, die sich jeder Logik entziehen. 
Gegen den Kauf spräche nur das, was uns Deutschen am liebsten ist: das Prinzip. Denn die Husqvarna Vitpilen 701 ist ein Naked Bike, was die Tourentauglichkeit naturgemäß einschränkt, dem steht schon der nur 12 Liter fassende Tank entgegen. Aber, das weiß man ja vorher. Wie, dass Eis dick macht, man nicht "Bauer sucht Frau" im Fernsehen schauen sollte oder dass das Verblasen von vier Liter feinstem Super auf 100 Kilometer nur aus Spaß ökologisch einfach Mist ist.
Wir befinden jetzt, dass wir der Political Correctness genüge getan haben, und jetzt geht endlich zum Händler und macht eine Probefahrt. ;)

Die Testmaschine wurde uns freundlicherweise von Heller & Soltau zur Verfügung gestellt.

Kleiner Nachtrag: Vitpilen ist Schwedisch und heißt übersetzt "Weißer Pfeil". Warum? Wir wissen's auch nicht.

Preis/Verfügbarkeit/Farben/Baujahre

  • Preis: 10.195 Euro
  • Gebraucht: ab 7.500 Euro
  • Baujahre: seit 2018
  • Farbe: aluminium 
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