Gebrauchtcheck Honda NTV 650 Revere
So war das in den 80ern
Einer der größten Vorteile des Motorradtest.de-Teams ist neben unserer Bescheidenheit, dass wir uns nicht zu schade sind, günstige Gebrauchtmotorräder zu testen. Diesmal trat eine ungewöhnliche Honda NTV 650 Revere aus dem Baujahr 1994 zum Check an. Die Daten: Nur 24.000 Kilometer gelaufen, steht für 1.700 beim Händler – und hat den in dieser Klasse seltenen Kardanantrieb. Drauf und los!
Echter Verkaufsschlager
Seien wir mal ehrlich: Motorräder muss man allein deshalb lieben, weil sie nahezu keinen praktischen Nutzwert haben. Wenn man trotzdem eines haben will, aber sich nicht arm machen möchte (oder kann), quasi das Vernünftige im Unvernünftigen sucht, dann kommt Tester Markus ins Spiel. Markus ist es völlig egal, wie es kommt, Hauptsache es hat zwei Räder und einen Motor. Ist es die 158 PS starke Ducati Multistrada wird diese mit Vollgas über die Piste getrieben – und ist es ein schwächeres Testobjekt, dann eben nicht, aber Spaß macht‘s trotzdem. Es kommt, wie es kommt.
Markus fährt gerne alte Mopeds, da sie ihn an seine Zeit erinnern, die im Nachhinein gerne mit dem verklärenden Zusatz die „gute alte“ versehen wird. Geschichten über Geschichten könnte ich … aber ich schweife ab. Auf den Punkt: Das Testobjekt dieses Gebrauchtmotorradchecks ist die („gute alte“) Honda NTV Revere. Deren Rahmendaten sind schnell erzählt: Das V2-Motorrad war zwischen 1988 und 1997 ein echter Markterfolg, rund 15.000 Maschinen konnte Honda an den Mann (plus f/d) bringen. Ein knapp 650 Kubik großer V2 stellte anfangs 60, später unter 50 PS zur Verfügung.
Die Leistungsminderung über die Jahre ist nicht alles an Ungewöhnlichem, denn die NTV hat einen Kardanantrieb. Kurzer Abstecher in die Technik: Eine im Ölbad laufende Welle, die Kardanwelle, überträgt die Kraft des Motors anstatt einer Kette mit Zahnrädern ans Hinterrad. Vorteil: Es entfallen Wartungsarbeiten wie Kette spannen, fetten, säubern und ersetzen nach ungefähr 20.000 Kilometern. Bis auf einen gelegentlichen Ölwechsel ist der Kardan sehr pflegeleicht, was ihn bei Tourenfahrern ausgesprochen beliebt macht. Allerdings ist so ein Kardan schwerer, und wenn etwas kaputt geht, wird es teuer. Das ist bei unserem Testobjekt nicht zu erwarten, denn sie ist erst 24.000 Kilometer gelaufen. Schlanke 1.700 Euro soll sie kosten, rund 10.575 („gute alte“) Deutsche Mark kostete sie neu. Unsere NTV steht bei einem Händler, deshalb sind Übergabeinspektion sowie frischer TÜV im Paketpreis enthalten.
Noch mit Choke und Lichtschalter
Ebenfalls enthalten ist die nachgerüstete Frontmaske mit Doppelscheinwerfern, serienmäßig ist die Honda ein Naked Bike. Lässt man den auffälligen Kastenrahmen beiseite, wäre die moderne Entsprechung der Honda die Suzuki SV 650, ebenfalls mit V2. Leben muss man mit der Farbe, die als grün bezeichnet wird, aber im Video einen eindeutigen Stich ins Babyblaue nicht verbergen kann. Auch das gefällt dem Retroreisenden Markus auf das Vorzüglichste, heute ist es als Hommage an die 80er auch beim Rest des Teams die erste Wahl.
Die 80er springen einen förmlich an, wenn man aufsitzt. Wohin der Blick auch fällt, er schaut auf die Moderne vergangener Zeiten. Oder was man damals dafür hielt: analoge Instrumente, vier glotzige Warnlampen für Öl, Leerlauf, Blinker und Fernlicht. Spiegel trug man damals groß und übersichtlich und kastenförmig. Die der Honda sind noch größer und übersichtlicher und kastenförmiger, was im Test geschwind als Sicherheitsgewinn verbucht wird. Kurios, aber sinnvoll ist die Anzeige für den ausgeklappten Seitenständer. Da es kein TFT-Display gibt - das ohnehin nichts anzuzeigen hätte, denn es gibt nichts, was nicht mechanisch verstellt werden müsste - überraschen neuzeitliche Piloten zwei zusätzliche Bedienelemente, die früher gang und gäbe waren. So hat die NTV nicht nur einen Lichtschalter, sondern auch einen Choke. Nicht im Blick, aber aus dem Blick verlieren sollte man das Aufdrehen an der linken Flanke trotzdem nicht, nämlich das des Benzinhahns. Wir sind da über Generationen gestählt, deshalb kommen wir rasch wieder hinein.
Genug der Vorreden, die Wahrheit liegt auf der Straße.
Gut verarbeitet
Das Aufsitzen geht bequem, es ist sogar im Vergleich zu den meisten modernen Naked Bikes genügend Sitzraum in der zweiten Reihe vorhanden. Das Problem ist also nicht das Aufsitzen, es könnte das Sitzenbleiben werden, namentlich für Piloten mit längeren Beinen. Der Kniewinkel ist ziemlich spitz. Wenn wir Markus auf Höhe des Bauchnabels horizontal teilen würden, was wir nicht getan haben, dann wäre Markus‘ Oberteil bequem untergebracht, sein Unterteil auf Langstrecke eher nicht so. Ungewöhnlich, aber keineswegs schlecht, ist der für heutige Verhältnisse schmale Lenker.
Los- und Anfahren geht problemlos vonstatten, die Bedienung nervt nicht mit dem Gegenteil von leichtgängig. Leicht und locker nimmt es die Honda leider auch beim Bremsen. Hier zeigt sich der größte Abstand zu modernen Bikes: Die Einzelscheibe vorn sorgt dafür, dass Fahrer ab einem Intelligenzquotienten von 75 aufwärts immer schön auf den Sicherheitsabstand achten. Besser ist das!
Die Honda wirkt insgesamt gut gemacht, verarbeitet und mit vernünftiger Teilequalität zusammengesteckt. Irgendwoher muss er ja kommen, der Ruf dieser japanischen Firma. Natürlich platzt hier und da was ab, und der erste Glanz ist weg. Aber insgesamt steht sie gut da. Ebenso gut fährt sie übrigens: Die knapp 50 PS sorgen für einen in absoluten Zahlen gemessenen Nullhundertsprint von 5,3 Sekunden, da kannste nicht meckern. 175 km/h sind es maximal, auch das ist ok. Die Newtonmeter haben sich bei 6.500 Touren zur Vollversammlung eingefunden, die Honda zieht gut durch. Nicht immer allerdings, denn gelegentliche Fehlzündungen deuten auf Redebedarf mit dem Verkäufer hin. Dafür gibt es kein Konstantfahrruckeln, Lenkerschlagen oder Lastwechsel, das Getriebe schaltet exakt.
Fazit - was bleibt hängen
Alles prima also, Markus, wäre das nach der Inspektion ein Kaufkandidat? Hier ja, bekommt man die Fehlzündungen in den Griff, wäre die Honda NTV Revere ein sehr guter Kauf. Das allerdings liegt am Zustand der Maschine. Damit sind nicht Kratzer oder optische Dinge gemeint, sondern der Zustand der Verschleißteile. Sind die Bremsen dahin, alle Flüssigkeiten wechselfällig, Reifen alt und rissig, käme zum Einstandspreis von 1.700 Euro ein stattliches Sümmchen obendrauf.
Ein ganz ähnliches Fazit zog Markus schon beim Test der Suzuki GS 500 E, und es hat nichts an Aktualität verloren.
Das Testbike wurde uns von Heller & Soltau in St. Michaelisdonn zur Verfügung gestellt.
Preis / Verfügbarkeit / Farben / Baujahre
- Preis: 1.700€
- Baujahre: 1988-1997
- Verfügbarkeit: mittel
- Farben: rot, weiß, schwarz, grün, blau, purple