Test: BMW F850GS
Deutlich erwachsener und nicht mehr weit von der großen Boxer-Schwester entfernt.
Na, dann wollen wir mal sehen ob die BMW F 850 das auch wirklich kann.
Die neue "GROSSE" unter den kleinen GS
Zehn Jahre ist sie inzwischen her, die Einführung der kleinen GS-Baureihe mit dem 800er Rotax-Twin. So gesehen ist eine Neuauflage durchaus angebracht. Zumal die Konkurrenz aus Japan und Österreich bei dieser Gattung auf der Überholspur war. Wenn man sich vor Augen führt, dass die African Twin beispielweise auf Rang 5 der Zulassungscharts 2018 longierte, so war die F 800 GS im Vergleich relativ weit abgeschlagen erst auf Platz 29 anzutreffen. Es bleibt nun abzuwarten, ob sich dieser Vorsprung der Konkurrenz mit der neuen "Großen" unter den kleinen GS aufholen lässt.
Im Vergleich zu den Vorgängerinnen F 800 GS und F 700 GS hat sich außer dem Namen bei der F 850 GS einiges verändert: Rahmen, Motor und und einiges mehr wurden völlig runderneuert: der 853-Kubik-Twin von Rotax mit 270-Grad Hubzapfen-Versatz wurde durch einen Loncin Motor aus China ersetzt. Beim Auspuff, welcher wirklich einen netten Klang von sich gibt, gab es einen Seitenwechsel von links nach rechts, während der
Kettenantrieb nun auf der linken Seite seinen Platz gefunden hat. War der Tank bei der 800er noch im Heck, wanderten die 15 Liter nun in die Fahrzeugmitte, wo sie im Sinne einer sinnvollen Verteilung der Masse auch besser aufgehoben sind. Es gibt ein abschaltbares und ausgereiftes ABS und für gut 450 € ist auch ein ESA-Fahrwerk zu haben. Der voluminöse Vorschalldämpfer schmiegt sich eng unter den Motor an den Rahmen. Und der neue Motor hat wieder einen kleinen Wärmetauscher der geschützt anstelle eines weniger geschützten Ölkühlers montiert wurde.
Serienmäßig gibt es einen Motorschutz aus Plastik oder gegen Aufpreis auch die wertigere Variante aus Aluminium. Vorne verfügt die F 850 GS über eine ausgewachsene 21-Zoll Bereifung - vor allem mit einem passenden Grobstoller (nicht Serie) macht das natürlich Eindruck. Das aufgeräumte TFT-Display lässt sich auch unter schlechten Bedingungen perfekt ablesen und via Smartphone kann man sich mit dem Bordrechner vernetzen, um diverse Anwendungen zu bedienen. Allerdings hat dies mit rund 600 Euro seinen Preis und bedarf einer gewissen Einarbeitungszeit, was auch für alle weiteren elektronischen Helferlein wie Motor- und Fahrwerks-Mapping oder die Traktions- und Stabilitätskontrolle gilt. Unter Anbetracht der vielen Neuerungen und einem deutlichen mehr an Leistung, Komfort und Ausstattung hat die F 850 GS unserer Meinung nach durchaus eine reelle Chance den Vorsprung der Africa Twin wieder wett zu machen.
So fährt sie sich
Bevor wir am Gashan drehen eines vorne weg: Die BMW F 850 GS ist optisch äußerst gelungen und erinnert schon fast an die boxermotorisierten großen Schwestern. Die uns zur Verfügung gestellte Maschine kommt in einer Art Jagdgrün (BMW nennt das Pollux metallic) daher. Durchaus elegant aber noch viel besser steht der GS nach unserer Meinung das Rallye-Style. Klar, das ist natürlich eine reine Geschmacksfrage. In jedem Fall steht mit der BMW 850 GS ein ausgewachsenes und optisch wirklich gelungenes Bike vor uns!
Fast intuitiv lenkt, schaltet und bremst sich die F 850 GS und man fühlt sich sofort wohl auf dem Motorrad. Dass unsere Testmaschine für mich (1,77m) reichlich hoch ist, ließe sich problemlos anpassen. Zahlreiche Sitzbänke mit unterschiedlichen Sitzhöhen stehen hier zur Auswahl. Außerdem sind eine niedrige Doppelsitzbank und eine Komfortsitzbank verfügbar. Und auf Wunsch kann das Motorrad zusätzlich auch tiefergelegt werden. Dank der GS typischen Ergonomie sitzt man aufrecht und souverän mit einem sehr breiten Lenker - da gibt es wirklich nichts auszusetzen.
Der neue China-Twin hat 10 PS mehr als der alte Rotax-Motor. Die Stärken des Zweizylinder-Reihenmotors mit seinen 95 PS sind ein hohes Drehmoment und ein spritziger Charakter. Der Sound des Motors ist angemessen und angenehm. Die Maschine arbeitet mit einem Verbrauch von 4,1 Litern sparsam und liefert eine überzeugende Performance. Damit kann man (natürlich nur da wo es erlaubt ist) auch gerne mal die Höchstgeschwindigkeit von gut 200 km/h ausreizen, ohne dass die Maschine unruhig wirkt. Trotz Ihres 21-Zoll Vorderreifens und der aufrechten Sitzposition klebt die Maschine absolut stabil und ruhig auf dem Asphalt. Der große Vorderreifen sorgt zwar dafür, dass man im unebenen Gelände gut die Spur halten kann, ist jedoch wohl auch mit Grund dafür, dass die Maschine nicht ganz so wendig daher kommt.
Richtig punkten kann die F 850 GS dagegen mit ihren elektronischen Helferlein zur Fahrsicherheit. In der Grundausstattung gibt BMW die Fahrmodi Road und Rain sowie die Stabilitätskontrolle ASC mit. Die Fahrmodi Dynamic Enduro und Enduro Pro sowie die dynamische Traktionskontrolle DCT und das elektronische Fahrwerk Dynamic ESA sind nur gegen Aufpreis zu haben. Alle Assistenzsysteme wurden gut umgesetzt und funktionieren tadellos, so wie man das von BMW erwartet. Das Cockpit ist aufgeräumt und sehr gut ablesbar. Dank „intelligenten Notruf“ kann der Fahrer im Ernstfall per Knopfdruck das am Lenker verbaute e-Call System auslösen, um Hilfe zu holen. Je nach Situation wird dieser auch automatisch abgesetzt und unterstützt eine schnellere Versorgung durch die Rettungskräfte – wo auch immer man gerade unterwegs ist.
Natürlich führt die Vielzahl an Möglichkeiten dazu, dass man mit einer gewissen Einarbeitungszeit rechnen muss. Aber das ist bei den neueren, üppig ausgestatteten Bikes ja durchaus üblich. Insgesamt hatten wir bei unseren Testrunden jede Menge Spaß mit der F 850 GS und können eine Probefahrt nur empfehlen!
Fazit - was bleibt hängen
An der BMW F 850 GS werden zu Weilen Preis und Herkunft kritisiert. So finden sich in unserem Testkanal auf YouTube zum Beispiel Kommentare wie: "... Motorrad aus China, Preis aus Bayern..." "... ohne Navi, mit 'nem Chinamotor (da spart nur BMW richtig Geld)..." oder "... China Böller als Premiummarke...".
Sicherlich, BMW-Motorräder haben Ihren Preis, das ist keine Frage. Allerdings finden wir den Einstiegspreis für das Serienmodell mit 11.900 € (die aktuelle CRF1000L Africa Twin kostet immerhin 13.490 € in der Basisvariante) nicht so überzogen. Problematisch ist eher, dass - und darüber lässt sich auch trefflich diskutieren - die lange Liste an Sonderausstattunsmöglichkeiten den Preis schnell in die Höhe steigen lässt. Da landet man je nach Wunschliste problemlos auch mal bei 15.000 € und mehr. Und ja, auch das ist leider typisch BMW.
Aber es hilft am Ende nix: BMW Bikes erfreuen sich einer großen Fangemeinde, trotz des hohen Preises, weil es eben gelungene und solide Motorräder sind. Die These, dass die F 850 GS durch ihre Herkunft qualitativ nicht Schritt halten kann, können wir in unserem Test nicht stützen. In unseren Augen ist die BMW F 850 GS deutlich erwachsener geworden als ihre Vorgängerinnen und rückt damit ganz klar näher an ihre große Boxer-Schwestern. Inwieweit es allerdings gelingt, den Vorsprung der Africa Twin (die wollen wir uns übrigens in den nächsten Tagen mal für einen Test besorgen) von Konkurrent Honda einzuholen, muss man sehen. Wir drücken jedenfalls die Daumen denn die Bayerin hat uns an sich ganz gut gefallen.
Preise und Ausstattung
ab 11.900 € und hier könnt ihr euch eure F 850 GS konfigurieren. Wir haben interessehalber mal alles an Extras angeklickt was nicht bei drei auf den Bäumen war und landeten bei stolzen 16.435 €.
Serienausstattung: BMW Motorrad ABS, ASC (Automatic Stability Control), Fahrmodi Rain / Road, Bordcomputer Pro, LED-Rücklicht, 12 Volt Steckdose, Handbremshebel, Kupplungshebel einstellbar, Motorschutz
Sonderausstattung: Dynamic ESA (elektronisch einstellbares Fahrwerk), DTC (Traktionskontrolle), Fahrmodi Pro (Dynamic / Enduro / Enduro Pro), LED-Scheinwerfer inkl. LED-Tagfahrlicht, Connectivity inkl. 6,5" vollfarbiges TFT Display, Schaltassistent Pro, Keyless Ride, RDC (Reifendruckkontrolle)
und wo wir schon bei Ausstattung sind: noch mehr fahrzeugspezifisches Zubehör findet man natürlich auch bei Anbietern wie Touratech oder Wunderlich.
Das Testmotorrad wurde uns freundlicher Weise von Bergmann und Söhne zur Verfügung gestellt.